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Die besten 60s Songs

Niemand aus der Redaktion war in den 60er-Jahren schon geboren, die Musik von damals können wir trotzdem toll finden. Gemeinsam schauen wir auf unsere liebsten Tracks aus einem spannenden Jahrzehnt.
Hippies

„Heroin“ ist ein düsterer Song, der nicht so recht in das Jahr 1967 passen will, in dem die Beatles „All You Need Is Love“ verkündeten. Dabei sahen The Velvet Underground bloß genauer hin, als die, die sich noch im Summer of Love wähnten. Amerika führte einen Krieg, weit weg in Vietnam. Die jungen Soldaten, die in ihm kämpften, brachten neben ihren körperlichen und seelischen Wunden auch das mit zurück, was diese erträglich gemacht hatte: Heroin.

Songwriter Lou Reed, der auch eigene Erfahrungen in dem Track verarbeitete, verzichtete auf große Metaphern und moralische Urteile, schwankt in seiner Schilderung zwischen der Euphorie des Rausches und der Realität der Sucht. Mit der Nadel im Arm sind Himmelreich und Hölle gleich nah und die Welt ganz weit weg. „Heroin“ spricht er aus wie den Namen eines oder einer Liebsten. Die avantgardistische musikalische Begleitung lässt diese Erzählung dabei fast körperlich spürbar werden. In „Heroin“ findet sich schon die Grundessenz dessen, was 30 Jahre später als Post-Rock bekannt wird. Der Song baut sich über die sieben Minuten immer wieder auf und fällt mehrfach in sich zusammen. Das Tempo schwankt, die Trommeln setzen aus, dann das kreischende Feedback der elektrischen Viola. In den Gesang mischt sich in ein schmerzvolles Lachen. Und dann wieder Ruhe. Die Sucht scheint für den Moment befriedigt. Oder ist das endlich der Tod, den sich das lyrische Ich so sehr wünscht? Der Song endet mit den Worten: „I guess I just don’t know“.

Weil ich fand, dass ich meine Liebe zu den Beatles schon oft genug ausgeführt habe, ist mein Lieblingssong der Sechziger keiner der Pilzköpfe und auch ein Song aus dem Musical "Hair", das ich im Rahmen dieses Themenmonats vorgestellt habe. Das war mir irgendwie zu langweilig. Daher fällt meine Wahl auf „You Can’t Hurry Love“ von The Supremes. Ich habe lange Standard und Latein getanzt und dieser Song ist einer meiner liebsten Quicksteps. Klar ist der Text ein bisschen sehr kitschig (wohl auch typisch für die Zeit), aber irgendwie ist die Botschaft halt auch wahr.

Mir scheint, als bräuchte es ab und an erst ein wahrhaftes Kunstverbrechen, um die wahren Meisterwerke so richtig genießen zu können. Simon & Garfunkels "The Sound Of Silence" fand ich schon immer toll. Die Großartigkeit dieses Songs kam mir aber erst wieder richtig ins Bewusstsein, als ich Disturbeds geradezu ekelhaft aufgeblasene Coverversion aus dem Jahr 2015 hörte. Die ist tragischerweise heute das erste Sucherergebnis, wenn man den Tracktitel bei Google eingibt. Dabei haben Simon & Garfunkel so viel mehr Klasse. Ihr Original hat genau so viel Intimität und Bedacht, wie der lyrische Willkommensgruß an die Dunkelheit zu Beginn des Textes verlangt. Folk-Pop hat mit diesem Song seinen Meister gefunden, an dem sich quasi jedes Folgeerzeugnis des Genres wird messen lassen. Vielleicht haben Disturbed das gewusst und deswegen einfach auf billige Effekthascherei statt auf Stil gesetzt. Hat offenbar funktioniert, ist aber natürlich trotzdem Mist.