Rieger (sofort): Überhaupt nicht. Es gehört halt dazu. Es gibt so ein großes Angebot an toller Musik. Ich freu mich darüber, wenn ich eine Platte finde, die etwas abwegig ist, die aber trotzdem den Weg zu mir geschafft hat, weil ich gar keine Zeit und erst Recht keine Lust mehr hab, mich durch irgendwelche Blogs zu klicken.
Drangsal: Was man früher aber gemacht hat.
Rieger: Ja, aber ich hab‘ wirklich keinen Nerv mehr dazu.
Drangsal (schüttelt mit dem Kopf): Und keine Zeit…
Rieger: Aber es gibt so viel tolle Musik! Und es ist halt so: Die Musik, die das größte Budget bekommt, die bekommt halt erst einmal die größte Aufmerksamkeit. Das hat jetzt trotzdem erstmal nicht so viel damit, zu tun, wie viel verkauft wird…
Drangsal: Ich erinnere mich an Zeiten, als ich bei Mute gearbeitet habe und wir versucht haben, eine Künstlerin zu pushen – ich lass jetzt den Namen mal raus hier – und wir haben alles reingebuttert was ging, und keiner hat es genommen. Es gibt natürlich auch Gegenbeispiele.
Rieger: So läuft halt das Geschäft. Man muss erst einmal extrem viel Geld reinstecken und dann hoffen, dass man viel Geld wieder rausbekommt.
Drangsal: Du hast ja gerade gesagt, dass es so viel tolle Musik gibt. Ich habe glaube ich heute erst zu dir den Satz gesagt: „Fuck Mann – Musik ist so geil.“
Rieger: Ja!
Drangsal: Er hat mir gestern ein Album empfohlen.
Rieger: Was auch eine fette Promo hat und international released wird: Blanck Mass.
Drangsal: Aber trotzdem geil.
Rieger: Halt ultra ab vom Schuss. Da gibt es keinen Grund, desillusioniert zu sein. Es ist halt heftige Musik und du merkst, da sind nicht nur krasse Musiker am Start, sondern auch Leute, die in der Promo an dieses weirde Stück Musik glauben. Und es ist geil.
Drangsal: Da hat es auch Leute gebraucht, die da langfristig dran geglaubt haben, und dann hast du gesehen: Auch so eine Musik kann eben charten. Und sich länger in den Charts halten als ein Album von mir. Das geht, wenn man dran glaubt und eben irgendwann die Mittel auch dazu hat, es zu positionieren. Aber it took fucking four or five records. Und ich denk dann: Desillusioniert? Hm. Manchmal ist man frustriert ob der Zyklen, die so ein Release mit sich bringt. Ob der Sachen, die man dann machen muss – ob Radio-Promo, manchmal hat man auch `nen Scheiß-Tag und denkt sich: Wofür mach ich das eigentlich? Ich glaube, solange man nicht vergisst, dass man Musik macht, weil man zueinander sagt wie geil Musik eigentlich ist und weil es einem Spaß macht, sollte man auch nicht desillusioniert werden. Ich sitze jetzt auch zu Hause und bin dabei, meine dritte Platte zu schreiben. Und ich besinne mich zurück auf das, was mir immer Spaß gemacht hat, nämlich einen geilen Song zu haben, an dem ich mich erfreue, und den ich anderen Leuten zeigen kann. Und dann sagen die: „Boah – der ist echt geil.“ Nicht mal um zu beeindrucken, sondern ein „Guck mal, dieses Stück Musik gefällt mir und macht mir Spaß. Macht es dir auch Spaß? Ja, mir macht es auch Spaß.“ That’s all it is. Und wenn du halt Promo machen musst und wenn Cents umgedreht werden müssen, dann gehört das irgendwie dazu und dann muss man sagen, dass es das notwendige Übel ist, was man eingeht. Es gibt keine Sache, die du in deinem Leben machen kannst, die nur positive Aspekte hat. Du kannst versuchen etwas zu finden, was mehr positive als negative Aspekte hat. Es ist auch ein harter Weg dahin, aber nichts ist halt immer nur geil. Aber desillusioniert würde ich es nicht nennen. Ich find‘s ganz okay.