Kolumne

Spät verliebt: Diese Bands haben unsere Herzen neu erobert!

Einen ganzen Monat haben wir uns zerbrochenen Fan-Herzen gewidmet und ganz ehrlich: Wir sind von all der Negativität schon selbst frustriert. Deswegen lasst uns den Februar auf einer guten Note beenden! Hier sind Bands oder Künstler:innen, die unsere Herzen spät erobern konnten.
Platten

Kennt ihr das, wenn ihr eigentlich hundemüde seid, euch um zwei Uhr nachts ins Bett schleppt und ihr dann trotzdem nicht schlafen könnt, weil euch aus dem Nichts eine wahnsinnig unangenehme Situation aus eurer Kindheit einfällt? Ihr denkt dann zum Beispiel an damals, als ihr eure Lehrerin "Mama" nanntet oder ihr vor der ganzen Klasse in die Hose gemacht habt. Ungefähr auf diese Art und Weise kommen mir manchmal meine ersten Diskussionen über Kendrick Lamar in den Sinn. Dessen Rap-Meilenstein "To Pimp A Butterfly" wurde mir vor einigen Jahren zu einer Zeit ans Herz gelegt, in der ich mit Hip-Hop außerhalb der Cringe-Nu-Metal-Phase meiner Jugend und noch viel peinlicheren früheren Kollegah-Liebäugeleien so gar nichts zu tun hatte. Auf dringende Empfehlung hörte ich mir die Platte damals an und konnte nur mit den Schultern zucken. Ich konnotierte das wohl aufgrund der Jazz-Beats von "To Pimp A Butterfly" schlicht als "Standard-Old-School-Rap" und gab stets zu Protokoll, dass ich nicht verstehen konnte, warum Menschen davon so begeistert waren. Ich würde den Jakob von damals am liebsten ohrfeigen. Du Vollidiot! Checkst du denn gar nicht, dass du gerade eines der grandiosesten, innovativsten, abwechslungsreichsten und trotzdem genießbarsten Alben der 2010er-Dekade hörst? Etwa ein halbes Jahr später hat es zum Glück endlich Klick gemacht. "To Pimp A Butterfly" ist mit seinen grandios kreativen Instrumentals, seiner fantastischen Erzählweise, seinen wahnsinnig variantenreichen Flows und seiner unglaublichen Atmosphäre ein musikalisches Fest, das wirklich JEDER hören sollte - nicht nur Menschen, die auf Rap stehen. Heute ist "To Pimp A Butterfly" wohl eines meiner absoluten Lieblingsalben jemals und war gleichzeitig meine Einführung in die wahnsinnig kreative Hip-Hop-Welt. Wenn irgendwo mal wieder "The Blacker The Berry" läuft, kann ich immer nur denken, dass Kendrick damals einfach eine Klasse zu hoch für mein 20-jähriges Ich war. Sorry, ich liebe dich!

Ich finde es generell schwierig, mich auf Bands einzulassen, die es nicht mehr gibt. Es gibt so viel aktuelle Musik, warum also Zeit investieren in ein Gesamtwerk, das sich nicht mehr verändert und mit dem ich mich auch irgendwann in der Zukunft noch beschäftigen kann? Meistens stolpere ich dann über einen Stein des Antoßes und von da aus kopfüber in die Diskografie. Im Falle von Muff Potter war dieser Stein ein Hörbuch. In „Wo die wilden Maden graben“ erzählt Frontmann Nagel über das Leben der Band auf und vor allem zwischen den Touren. Am Ende läuft der Muff-Potter-Song „Alles was ich brauch“ und von da an war ich Fan. Ich lernte das eigenwillige Songwriting, das mich vorher irritiert hatte, zu schätzen und fand mich in den Texten wieder, die großartige Worte dafür fanden, was mich zu der Zeit beschäftigte. Nur würde ich sie wahrscheinlich nie live hören können, denn die Band hatte sich 2009 getrennt. Doch dann ging eine, in unzähligen Youtube-Kommentaren ersehnte, Nachricht durch die Musikpresse: Muff Potter spielen wieder zusammen! Die Venues der Reunion-Tour waren groß und trotzdem schnell ausverkauft. Offensichtlich hatten die alten (und eher vereinzelte neue) Fans nur darauf gewartet, sich wieder an den Kleinstadt-Hymnen heiser zu brüllen. Ob es davon jetzt wieder mehr geben wird, weiß anscheinend nicht mal die Band selber. Nagel schreibt mittlerweile Großstadt-Romane, Schlagzeuger Brami ist hauptberuflich Fensterputzer. Aber eigentlich ist das egal: In ihrer bestehenden Diskografie habe ich Songs gefunden, die mich hoffentlich noch lange begleiten werden.

Es ist verdammt lange her, aber der Zynismus der Dead Kennedys war mir als kleiner Moritz zu derb. Ich wusste nur sehr grob, wer John F. Kennedy war und dank Forrest Gump wusste ich, dass er einen Bruder hatte, den das gleiche Schicksal ereilte. Demnach war mir der Bandname damals so zuwider, dass ich mich dieser Band widersetzte. Doch dann habe ich wenige Jahre später das Album "Fresh Fruit For Rotting Vegetables" bekommen. Und meine Fresse! Was für ein Album! Zwischenzeitlich habe ich den Zynismus des Bandnamens halbwegs verstanden und diese unfassbar harten Texte habe ich schleunigst verinnerlicht. Ganz vorne mit dabei der Klassiker "California über alles", das brachial schnelle "Stealing Peoples Mail", "Funland at the Beach" und natürlich "Chemical Warfare".