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Pascow und „Jade“: Immer noch auf Kurs

„Jade“ ist das sechste Album der im Jahr 1998 gegründeten Punkrockband Pascow. Die Band wagt sich an teilweise außergewöhnliche Einflüsse, fügt diese aber perfekt in ihren gewohnt abwechslungsreich aggressiven Sound ein und schafft damit eine deutliche Weiterentwicklung.

30 Sekunden Klavierintro und ab geht die wilde Fahrt. Nach diesem Muster starten Pascow ihr neues Album „Jade“ und nehmen den Hörer nach einem von Bass-Drum-Schlägen untermauerten Gitarrenriff, welches unausweichlich richtig Bock auf Punkrock macht, mit auf diesen Ritt. Der eigentliche Opener „Silberblick & Scherenhände“ ist einer der beiden ungewöhnlichen Tracks auf „Jade“. Das ist dem von Frau Wolf gesungenen Refrain geschuldet, welcher sich aber problemlos in den einwandfrei produzierten Punkrocksound der Saarländer einfügt. Ebenso ungewohnt persönlich und ruhig beenden Pascow die Platte. „Wunderkind“ ist ein absoluter Anspieltipp und nimmt die Hörerschaft mit in persönliche, emotionale Gefilde, wie man sie von Pascow nicht unbedingt erwartet hätte. Der Song handelt von Isolation und Einsamkeit, Pessimismus und die dadurch verursachten Verhaltensmuster wie rauchen, huren, trinken. „Doch niemand wird je glücklicher, als du es gerade bist.“.

Was aber fabrizieren Pascow zwischen den beiden ungewöhnlichen Titeln zu Beginn und am Ende von „Jade“? Immerhin finden auf der Platte noch neun weitere Tracks statt. Nehmen wir ein Zitat der Band aus dem Pressetext, um einen ersten Anhaltspunkt zu haben: „(...)mit dieser Platte verabschiedet sich die Band von Codierung und ‚kryptischer Scheiße‘.“ Das Ergebnis dieser Entwicklung sind greifbare Texte über verschiedenste Themen. „Jade“ als Titel beschreibt zum Beispiel den Zustand, wenn eine Band ein „Rattenloch“ zum besten Platz der Stadt werden lässt, „Marie“ nimmt sich dem Thema Liebe an und gesteht der uns allen unbekannten Marie ebendiese. Der Song punktet durch humorvolle Zeilen und Reime, während der Track sich in den Strophen auch mal bis auf die Bass-Drum ausdünnt. Hierbei handelt es sich um ein klares Stilmittel von Pascow. Während den Strophen ertönen sehr oft nur Bass-Drum und Bass, sodass der Gesang voll zur Geltung kommt und die volle Aufmerksamkeit der Hörerschaft abgreifen kann. In den Refrains geht es dann wieder mit voller Kapelle wie gewohnt rund.

„Kriegerin“ erfährt mitten im Song einen Wechsel vom Deutschen ins Englische und zurück, zwischendurch erschaffen auch mal beide Sprachen im Kanon ein tiefgehendes Klanggefüge. „Unter Geiern“ beinhaltet so etwas wie einen Kinderchor, den man beim Hören auch gerne mal selbst mitsingt. Auch „Schmutzigrot“ ist ein Duett mit weiblicher Beteiligung über vergangene, verschenkte Liebe.  Pascow experimentieren viel, bauen Neues in ihre Songs ein und schaffen dadurch einen beachtlichen Unterhaltungsfaktor. „Treck der Toten“ und „Sturm, der durch die Erlen zieht“ sind typische Pascow-Punkrock-Hymnen, sodass auch die Fans dieser Richtung auf ihre Kosten kommen und Spaß am neuen Album haben werden.

Auf der Homepage der vier Saarländer mit den Künstler-Nachnamen „Pascow“ findet sich ein weiteres treffendes Zitat: „Die MS Pascow ist immer noch auf Kurs!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Fazit

6.9
Wertung

Vielen Bands begegne ich durch die Arbeit als Redakteur wohl einfach zu spät zum ersten Mal. Pascow erfüllen viele meiner Vorlieben in Sachen Punkrock, unterhalten durch unterschiedlichste Einflüsse und schaffen einen Spagat zwischen greifbaren Texten und sauberem, deftigem Sound. „Wunderkind“ als Schlusslicht der Platte trifft die eigenen Gefühle in verloren geglaubten Momenten auf den Punkt und ist ein würdiges Ende einer durchweg gelungenen Platte.

Mark Schneider