Donots & Adam Angst in Erlangen: Punk im Klassikmantel

An einem 7. Dezember, mitten in der besinnlichen Adventszeit, heizen die Donots und Adam Angst die Heinrich-Lades-Halle in Erlangen auf – und dann war da irgendwie der Erlanger Kneipenchor. Wir waren bei diesem wilden Abend dabei.

Die Heinrich-Lades-Halle ist jetzt eher weniger die Art von Veranstaltungshalle, an die man denkt, wenn man an einen möglichen Auftrittsort dieses Lineups denkt. Finden dort sonst eigentlich Konferenzen und Tagungen statt, oder wenn es sein muss, mal ein Klassikkonzert, wurde der recht vornehme Große Saal kurzum zu einer Punkrock-Kaschemme. Zumindest klanglich. Leider merkt man diese eigentlich andere Ausrichtung auch akustisch, denn gerade im hinteren Bereich wird der Klang ziemlich verwaschen, während er vorne auch mit Gehörschutz eigentlich zu laut ist (laut Smartwatch-Messung – und Warnung – haben wir die 113 dB zwischendurch geknackt, und das ist schon schwierig). Auch aus der Nutzung des Saals zu anderen Zwecken als für (Punk-)Rockkonzerte hat sich die verhältnismäßig geringe Bühnenhöhe ergeben, die dann folglich zu einer schlechteren Sicht für alle ab Reihe zwei geführt hat, als man das von anderen großen Konzertlocations gewohnt ist. Schön war tatsächlich die Breite des Saals und der Bühne, dadurch war eine größere Nähe zum Publikum möglich und niemand war so richtig weit weg – auch wichtig, bei der geringen Bühnenhöhe. Ebenso war ein großer Vorteil des eigentlichen Daseins der Location als Konferenzhalle das große Atrium, in dem die Bar, Garderobe und Merch viel Platz hatten und sich die Menschenmenge vor Beginn entspannt verteilen konnte. Die Halle liegt recht zentral in Erlangen und ist dadurch – wenn nicht gerade Bahnstreik ist – gut mit den Öffentlichen zu erreichen und auch von den verschiedenen Parkmöglichkeiten ist eigentlich nie mehr als ein Kilometer zu Fuß zurückzulegen. 

Ein Portrait von Felix Schönfuß auf der Bühne

So viel zum organisatorischen Vorgeplänkel – kommen wir zur eigentlichen Veranstaltung. Pünktlich um 20:00 Uhr betreten Adam Angst (das ist übrigens der Name der Band, nicht der des Sängers, das wurde scheinbar immer noch nicht von allen verstanden) die Bühne und verbreteiten mit „Wir sind zusammen“, einer der Singles ihres aktuellen Albums, ordentlich Bock . Die Band tritt wieder einmal ganz in schwarz auf – „Uniformitäten werden sofort abgestraft“. Passend ist der zweite Song „Punk“. Ein bisschen ist das auch der Track, den ich anderen zeigen würde, wenn ich nach dem Adam-Angst-Signature-Song fragen würde. An der anfangs eher verhaltenen Reaktion des Publikums merkt man, dass doch die meisten Adam Angst vorher gar nicht kannten. Aber spätestens ab „Alle sprechen Deutsch“ ist das Eis gebrochen und ich meine, die ersten Shazam-Versuche zu erkennen. Passenderweise kommt nun die obligatorische Vorstellungsrunde der Band und Felix – der sich selbst als „der Robert Habeck des Punks“ vorstellt, und ich bin mir unsicher, ob ich jemals einen passenderen Vergleich gehört habe – verliert ein paar Worte zu jedem Bandmitglied. Und den Worten über Gitarrist David Schreier, völlig unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung, kann einfach nur zugestimmt werden: „David Frings, der schönste Mann der Welt“. Es folgt ein Repertoire aus allen Alben und spätestens mit Felix‘ Klavierbegleitung zu „Die Lösung“ und dem eingebauten Zwischenruf „Fick die AfD!“ sind die Herzen aller Zuschauenden gewonnen – was sich auch darin zeigt, dass das Gebrüll nach „Habt ihr noch Luft für die Donots?!“ tatsächlich leiser ausfällt als das nach „Habt ihr noch Luft für einen Song?“. Dargeboten werden dann noch die beiden Highlights „Splitter von Granaten“ und „Professoren“ und nach knappen vierzig Minuten und der Ankündigung der eigenen Tour im nächsten Jahr (leider ohne Termin in Erlangen und Umgebung) ist dann auch das großartige Set vorbei. Felix‘ Stimme ist merklich dankbar (er hat tatsächlich einige Schrei-Parts gesungen, ist hier und da mal tiefer als im Studio gewesen und hatte den ein oder anderen Voice-Crack beim Sprechen). 
 

Adam Angst haben also gut vorgelegt und richtig Lust auf den restlichen Konzertabend gemacht, der etwa eine halbe Stunde Umbaupause auf sich warten lässt. Doch dann folgt nach „Girls Just Wanna Have Fun“ vom Band das Intro der Donots und das Banner fällt endlich. Nach dem (hier im Gegensatz zu Bremen nicht von Guidos Tochter Emmi live gesungenen) Intro „Heut ist ein guter Tag“, in dem ein Kind den Weltuntergang besingt, wird mit „Auf sie mit Gebrüll“ richtig eingeheizt in der so biederen Heinrich-Lades-Halle und sogar die ersten Crowdsurfer:innen lassen sich die Chance nicht entgehen. Die Setlist ist ein guter Mix aus altbekannten Klassikern und Highlights ihres diesjährig erschienenen Albums „Heut ist ein guter Tag“. Direkt auf Setlist-Platz zwei und drei finden sich „Calling“ und „Keiner kommt hier lebend raus“ und werden von der gesamten Halle mitgegrölt. Die jahrzehntelange Bühnenerfahrung der Donots macht sich, neben der souveränen musikalischen Darbietung natürlich, vor allem bemerkbar durch ihre improvisierte halbe Comedyshow zwischen den Songs – so wird direkt zwischen den ersten Songs die überdurchschnittliche Breite der Bühne zum Anlass genommen, das Publikum zwischen sich aufzuteilen oder gefragt, ob das Erlanger Publikum „so auf freundschaftlicher Ebene“ den Spitznamen „Erl“ (gesprochen Earl) verpasst bekommen darf. Freundschaftliche Ebene auch deshalb, weil Ingo, nachdem er ergoogelt hat, dass Heinrich Lades mal Bürgermeister von Erlangen war, sich zum Ziel gemacht hat, selber Bürgermeister zu werden, damit die Halle folglich in „Ingo-Knollmann-Halle“ umbenannt werden kann. Eins seiner ersten Ziele als amtierender Bürgermeister wäre dann auch die Eingemeindung von Nürnberg, er war sich nur noch nicht sicher, ob die Megastadt dann Nürn-langen oder Erl-berg heißen würde. Schließlich hätten die Donots auch Anspruch auf das Bürgermeisteramt, wo sie doch schon 2004 in Erlangen beim „Summer Break“ auf der Bühne standen – mit Fettes Brot und Culcha Candela. Auch ihre mögliche Zweitkarriere auf Tiktok haben sie durch einen Vorstellungstanz (oder so ähnlich) bewiesen, von dem das Publikum offensichtlich stark begeistert war. Bürgermeisteramt, Tiktok, oder einfach bei den Dingen bleiben, deren Beherrschen sie im weiteren Verlauf wieder einmal bewiesen haben: Wahnsinnig gute Stimmung durch sehr laute Musik verbreiten. Und gleichzeitig laut für die Message stehen, dass Nazis (und Hass und Hetze) nirgendwo was zu suchen haben. Wie um das zu verdeutlichen, werden zu „Ich mach nicht mehr mit“ Flaggen von Kein Bock Auf Nazis und mit dem „Lauter als Bomben“-Motiv im Publikum verteilt, die fleißig geschwenkt werden.

Zu „Kaputt“ wird dann der erste große Circle Pit eröffnet (beim Songtitel wirklich passend), in den sich Ingo direkt reinstürzt und sich crowdsurfend (nach seinem Absturz beim Taubertal 2019 habe ich sehr viel Respekt vor ihm, dass er Menschen weiterhin vertraut!) wieder zurück zur Bühne bringen lässt. Offenbar braucht er danach wirklich erstmal eine Pause, denn mit dem akustisch von Guido dargeboten „Augen sehen“ (es werden sogar Feuerzeuge ausgepackt (2)) wird das unerwartete Highlight des Abends eingeläutet. Kurze Ansage, dass Guido „da wen in der Kneipe kennengelernt“ hat, und kurzum betreten etwa 50 Mitglieder des Erlanger Kneipenchors die Bühne. Absolute Premiere bei den Donots: der Kneipenchor bietet – begleitet von Guido an der Gitarre – „Eine letzte letzte Runde“ dar und füllt die Halle akustisch so vielleicht tatsächlich ein bisschen mehr auf die Weise, wofür sie architektonisch eigentlich gedacht ist. Der Klang ist jedenfalls auch ganz hinten bombastisch. Natürlich kann der Chor nicht nur für einen Song bleiben, weshalb er auch noch „Apokalypse Stehplatz Innenraum“ als Chorversion präsentieren darf. Und das ist noch lange nicht der Rausschmeißer – es folgen noch ganze zwölf Songs, bis es nach einem tollen Konzertabend zum Standard-Donots-Rausschmeißer-Song „So long“ kommt.