Ein zweites "Bungalow" sucht man hier vergebens. Stattdessen acht angenehm zurückhaltende Songs, weniger anstrengend als noch auf "Mea culpa" und doch mit mehr musikalischer Substanz. Leicht macht es einem "Vernissage My Heart" dennoch bei weitem nicht: "Kids im Park" eröffnet mit charakteristischen Solo-Sound von Gitarrist Mizzy Blue, der es wie kein zweiter versteht, sein Instrument mit spröder Verzerrung, Autotune und reichlich digitaler Effekte wie einen billigen Synthesizer klingen zu lassen. Dicke Bässe, ein schleppendes Schlagzeug und Lyrics von hedonistischen Fieberträumen ("Wir wollen fliegen im Superspeed Spaceship") bis hin zu nachdenklicher Melancholie ("Ich war zu lang wo ein tiefes Loch ist/Zu viel süße Luft hat mein Herz vergiftet") machen eindeutig klar: Wer nur die nächste extrovertierte Hookline erwartet, wird dieses Album nicht verstehen. Lässt man sich jedoch auf die Zwischentöne ein, auf die leisen Fehler, die zurückhaltenden Melodiebögen, die immer noch und mehr denn je absolut einzigartigen Arrangements aus Mumble-Gesang, R'n'B-Schlagzeug und Gitarrengewitter, dem wird dieses Album viel geben.
"Ich hab Gefühle" entwickelt sich mit entspanntem Beat und Trap-HiHats in den Refrain, der klassischen Bilderbuch-Vibe versprüht: "Manchmal da fühl ich diese Welt, sie braucht mich/Die meiste Zeit, da fühl ich überhaupt nichts." Abseits von metrosexuellem Poser-Gehabe äußerten sich in den Texten von Maurice Ernst seit jeher nachdenkliche Untertöne bis hin zu missverstandener Verletzlichkeit, die sich hier in dem wiederholten Ausspruch "Ich hab Gefühle" und dem anschließenden, sanften Soul-Piano-Outro äußern. Fängt man einmal an, die komplizierte Sprache der Wiener zu verstehen, eröffnen sich bei fast jedem Song mehrere Böden unter ihrem fiebrigen Future-Pop. "Europa 22" etwa kritisiert trotz süßlichem 80s-Vibe die zunehmende Politikverdrossenheit, die dem offenen Schengen-Raum immer gefährlicher wird: "Ein Leben ohne Grenzen/Eine Freedom zum Verschenken/Eine Freiheit, nicht zu denken". Derart plakativ stricken Bilderbuch ihre Ambitionen jedoch selten, und fast schon einschläfernd gleichförmigen Songs wie "Frisbee" wirken dennoch als ein etwas zu radikaler Gegenpol, der den schwierigen Weg von "Mea Culpa" fortführt.