An so etwas wie eine Zukunft von Gitarrenmusik kann ich bisweilen nur ganz schwer glauben. Viel zu viel Konservatismus umschwebt insgesamt die Träger:innen dieses Relikts vergangener Zeiten und zu wenig neue Ideen kommen, um dieses Instrument in die Gegenwart zu führen. Wer den Zeitgeist anschaut, weiß, dass das theoretisch über Hip-Hop funktionieren müsste. Leider kommen viele der einschlägigsten Beispiele für diesen Spagat von Rappern, die Rockmusik so überhaupt nicht verstanden haben und dadurch eher wie Opas als wie Innovatoren wirken - Eminem kann ein Lied namens "Remind Me" davon singen. Bilderbuch sind eines der wenigen Beispiele dafür, wie man eine Bandbesetzung in die 2010er überführt - nämlich, indem man US-amerikanische Strömungen speziell um Persönlichkeiten wie Kanye West in seinen Sound integriert, bevor das irgendjemand sonst im deutschsprachigen Raum geahnt hat. Noch schwieriger wird das Ganze, wenn man instrumentale Musik machen will, die im 21. Jahrhundert eh einen immer schwierigeren Status hat und im Allgemeinen fast nur noch als Hintergrundbeschallung zum Pauken für die nächste Uni-Klausur missbraucht wird. Polyphia hatten mit dem Vorhaben eines instrumentalen Gitarrenalbums im Jahr 2019 also eigentlich die denkbar schlechtesten Voraussetzungen und haben gerade deswegen dafür gesorgt, dass "New Levels New Devils" als wegweisender Klassiker im kulturellen Gedächtnis bleiben wird. Denn die Band hat alles begriffen: Sie instrumentalisieren die Gitarre zeitgeistig als Beat und nicht als Riff-Grundlage. Ihre melodische Arbeit ist so komplex, so originell und gleichzeitig so eingängig, dass man kaum anders kann, als aufmerksam zuzuhören und zu jubilieren. Mit "G.O.A.T." hat die Band sogar wieder einen Track geschaffen, den alle Gitarren-Kids unbedingt nachspielen wollten. Wann gabs sowas das letzte Mal? Bei "Do I Wanna Know?" von den Arctic Monkeys im Jahr 2013? Und schließlich hat Polyphia-Kopf Tim Henson auch verstanden, wie man Genialität heute vermarktet. In seinen Youtube-Videos gibt er spannende Infos darüber, wie er die Songs der Platte gemacht hat und wie zum Beispiel "G.O.A.T." ursprünglich aus dem Nachbau eines Jaden-Smith-Songs entstanden ist. Das vielleicht innovativste Instrumental-Album des vergangenen Jahrzehnts kann und muss als genau das erinnert werden.