Punk zieht sich in seine Nische zurück, die Grenzen zwischen Pop und HipHop verschwimmen und Trap regiert die Welt. 2018, du stehst mal wieder exemplarisch dafür, wie lange wir hierzulande brauchen, um die neusten Trends der Staaten zu verinnerlichen. Der Aufstieg eines Bausa oder Rin im letzten Jahr führte dazu, dass auf einmal jeder Rapper und jeder Pop-Künstler Bock auf Trap-Arrangements bekam. Inhaltsleere, Marken-Fixierung und die Glorifizierung von Kokain wurden salonfähig, und man mag mir den Kulturkonservatismus verzeihen, wenn ich stattdessen lieber eine Emo-Oper wie Spanish Love Songs "Schmaltz" rauf und runter gehört habe, die zwar weniger innovativ, dafür in ihrem schonungslosem Seelenstriptease und den bittersüßen Selbstzweifel-Hymnen umso wuchtiger ausfiel. Punk versinkt tiefer in seiner Nische, und auch ich habe mich in diesem Jahr etwas in meine kleine Emo-Blase zurückgezogen. Es bleibt zu entscheiden, ob das nun etwas Gutes oder Schlechtes ist – die wichtigen Impulse unserer Zeit kommen eben aus der neuen Rockmusik, dem HipHop und dem Pop. Denn dort sind mit Mac Miller und XXXTentacion nicht nur prägende Künstler erschreckend jung verstorben, sondern mit "Kids See Ghosts" und The 1975's "A Brief Inquiry Into Online Relationships" auch großartige Alben erschienen. Um es also mit Neufundland zu sagen: Kein Grund zur Beschwerde. Nur eine Beschwerde über die Gründe.
1. Spanish Love Songs - "Schmaltz"
Gefühlt aus dem Nichts kamen die Kalifornier und gaben allen von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten Szene-Hörern eine Stimme. Von Teenage Angst über die Qualen junger Adoleszenz bis zur Midlife-Crisis - der destruktiven wie kathartischen Wirkung von Zeilen wie "You might wake up, but you’ll never be better/You might come through, but you’ll always second guess/You might breathe free, but you’ll never stop pacing/You might find love, but you’ll always be depressed" zu entziehen, fällt schwer. Und auch wenn The Menzingers und Tiny Moving Parts ihren Sound schon etwas vorweggenommen hatten – Spanish Love Songs lassen sie alle hinter sich.