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Rolling Blackouts Coastal Fever und „Hope Downs“: Zwei Seiten des Glücks

Indie erfährt ungebrochene Gegenliebe und ist etabliert wie nie. Rolling Blackouts Coastal Fever erfinden ihr Genre trotzdem neu.

De facto tun die Australier das schon seit einiger Zeit, aber „Hope Downs“ ist als Debütalbum des Quintetts trotzdem noch als gesondertes Statement der persönlichen musikalischen Sozialisation zu betrachten. Ein Statement, das sich vor allem auf die Rückkehr zur ausdifferenzierten Weltlichkeit bezieht. Wo viele andere Genre-Kollegen tendenziell zum Synthesizer oder zum minimalistischen Beat greifen, setzen Rolling Blackouts Coastal Fever auf analoge Instrumente und tanzbar-zappelige Songs. Sie bilden damit nicht nur einen Gegenpol zur tendenziell immer digitaler werdenden Klangwelt des Indie-Kosmos‘, sondern auch zum Affekt der zurückgelehnten Coolness, den etwa die Arctic Monkeys auf „AM“ zur Genüge zelebrieren.

Die Umsetzung dieses Vorhabens gelingt Rolling Blackouts Coastal Fever mit einem sehr eigenständigen und persönlichen Sound, der vor allem deshalb so bemerkenswert ist, weil er eigentlich nicht viel braucht, um fantastisch zu klingen. Das Quintett ist eigentlich in der Standard-Besetzung einer Rockband unterwegs, verwendet zwei E-Gitarren, einen Bass und ein Schlagzeug. Den besonderen Reiz macht aber die zusätzlich darübergelegte Akustikgitarre aus, die dem Sound ein fast schon folkiges Flair verleiht. Rolling Blackouts Coastal Fever kokettieren dieses Grundgerüst mit zauberhaften Läufen in der Melodie-Gitarre und unangepasstem Gesang, der oft an der Grenze zum Spoken Word kratzt.

„Hope Downs“ ist aber nicht nur deswegen eine gelungene Zusammenfassung der Band-eigenen Vision, sondern auch, weil es die beiden Ausrichtungen der Vorgänger-EPs vereint. Während „Talk Tight“ den Fokus auf unbändige Tanznummern legte, konzentrierte sich der Nachfolger „French Press“ auf melancholische Tracks. Der erste Langspieler von Rolling Blackouts Coastal Fever kann beides: „How Long?“ wird von seinen wellenartigen Gitarrenlinien langsam vorangetragen, „Talking Straight“ lebt von schnellen Rhythmen und seinem ausgeprägten Refrain. Das Besondere dabei ist nicht, dass die Band diese Gegensätze beide auf ihrer Platte vereint, sondern, dass die Grenzen zwischen den Polen verschwimmen. „Time In Common“ klingt zum Beispiel trotz seiner klaren und direkten Struktur im klanglichen Abgang wie die Erinnerung an eine liebgewonnene Zeit. „Hope Downs“ ist daher gleichzeitig divers und homogen und vereint damit Gegensätze, die eigentlich nicht funktionieren sollten.

Rolling Blackouts Coastal Fever könnten Revoluzzer sein, aber sie klingen überhaupt nicht so. Zum Glück ist man darüber auf „Hope Downs“ nicht für eine Sekunde traurig. Stattdessen lässt die Platte einen wohlig in ihrer Eigenständigkeit schlummern und ungezügelte Euphorie aufkeimen. Ambivalenz hat noch nie so vernünftig geklungen.

Fazit

7.5
Wertung

Ich weiß schon, warum ich immer ganz genau hinhöre, wenn eine Band den Stempel Sub Pop trägt. Zur Abwechslung legt das Grunge-Pionier-Label hier aber mal keinen Fokus auf lärmende Noise-Gewitter, sondern beruft sich auf die schönstmögliche Indie-Interpretation, die ich seit langem gehört habe. Das Unternehmen liegt damit wie immer goldrichtig – ist ja beinahe Tradition.

Jakob Uhlig