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Lysistrata und „Veil“: Lach- und Krachgeschichten

Scharf, schwebend, organisch: Auf ihrem dritten Album demonstrieren Lysistrata eine bestechend mühelos klingende musikalische Achterbahnfahrt.
Lysistrata Veil Cover

Ein halbes Jahrzehnt ist seit dem bisher letzten Lysistrata-Album „Breathe In/Out“ vergangen und man gewinnt beim Hören des Nachfolgers das Gefühl, das französische Trio habe die weltgeschichtlich nicht gerade homogenen Täler und Berge dieser Jahre beim Aufnahmeprozess in nur etwa eine halbe Stunde einzufangen versucht. „Veil“ gibt sich schon in seinem Intro-Track „Tangled In The Leaves“ aufbäumend und verführerisch, während eine Akustikgitarre unter dem Gesang von Frontmann Théo Guéneau unterstützt von – bemerkenswerterweise völlig unkitschigen – Claps zu einer bedrohlichen Klimax wird, deren rapider Fall nur ansatzweise darauf vorbereiten kann, was das nun folgende Album in den nächsten 30 Minuten abfeuert. Lysistrata, die in der Musikpresse wohl auch aus Hilflosigkeit vor konkreteren Labels durchweg als „Indierock-Trio“ bezeichnet werden, entfachen auf „Veil“ eine Stimmungskurve, die in ihren sanftesten Momenten an eine Garagen-Version der frühen Arctic Monkeys erinnert und in den exzessivsten Augenblicken die Ränder von Hardcore und Noise streift. 

Diese Mischung begeistert vor allem in ihrer Konstitution als Gesamtkunstwerk, die stärksten Einzelmomente von „Veil“ sind aber vor allem die richtig wütenden. Das Finale von „Horns“ etwa wird zu seinem Höhepunkt klanglich so intensiv, dass der insgesamt eigentlich eher roh und wenig polierte Sound der Platte zwischendurch Immersionserlebnisse erreicht, die man so einer Grundanlage niemals zugetraut hätte. In „Rise Up“ klingen Lysistrata wiederum gar so scharf wie die kanadischen Noise-Punk-Meister Metz, während dissonante Riffs in der Produktion den Gesang fast zur Hintergrundsache verkommen lassen und genau dadurch ein Gefühl von Überwältigung aufkommen lassen. „Livin It Up“ wiederum wird durch synthetische Elemente zu einer psychedelischen Stoner-Interpretation des Sounds von „Veil“, die das Album pointiert beschließt.

Lysistratas Spielfreude und kreativer Einsatz erreichen auf ihrer neuen Platte einen vorläufigen Höhepunkt, der nicht primär durch starke Kontraste nach Aufmerksamkeit hascht, sondern im Gegenteil eher beeindruckt, weil all das so organisch ineinandergreift. „Veil“ markiert seine Urheber einmal mehr als Band, die man im Auge behalten sollte.

Fazit

7.5
Wertung

Eine Platte zwischen Griffigkeit und Versperrung. Das sitzt tief und macht gleichzeitig enorm viel Spaß.

Jakob Uhlig