NOFX, Frank Turner und „West Coast Vs. Wessex“: Ska und Selbstmitleid

Eine Split-Veröffentlichung mit einer befreundeten Band gehört im Punkrock schon fast zum guten Ton. Dementsprechend haben NOFX in ihrer fast 40-jährigen Karriere bereits mehrere solcher Platten produziert, unter anderem mit den ebenfalls aus Kalifornien stammenden Rancid.

Für „West Coast Vs. Wessex“ springen sie hingegen über den großen Teich und covern Songs von Frank Turner. Der Engländer ist seit seiner Jugend großer Fan der Skatepunk-Legenden und die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit: Turner und seine Band The Sleeping Souls sollten eigentlich diesen Sommer auf dem Punk-In-Drublic-Festival auftreten. Das von NOFX veranstaltete, tourende Event wurde jedoch aus bekannten Gründen abgesagt. Stattdessen veröffentlichen beide dieses Split-Album, zu dem die Idee von NOFX-Frontmann Fat Mike stammt. Die Prämisse war, die Songs des anderen nicht bloß nachzuspielen, sondern daraus etwas Eigenes zu machen. Und das ist allen Beteiligten gelungen.

Den Anfang machen NOFX mit fünf Songs, die Frank Turner ursprünglich im Folk-Gewand aufgenommen hatte. Die Cover schmeißen dieses komplett über Bord und ersetzen die Akustikgitarre durch Powerchords, was den Songs einen neuen Dreh gibt: Im eigentlich fast selbstmitleidigen „Worse Things Happen At Sea“ findet die Band eine unterdrückte Wut, die in Mikes gepresstem Gesang Ausdruck findet.

 

Insgesamt passen die Songs erstaunlich gut in die Arrangements, die, wie man es von NOFX kennt, zwischen Skatepunk, Ska und verrückten Einfällen hin und her springen. „Glory Halleluja“, Frank Turners hymnischer Abgesang auf den christlichen Glauben, beginnt bei NOFX als Klavierstück und wird als Punksong mit der doppelten Geschwindigkeit beendet. Dazwischen kommen immer mehr verschiedene Instrumente, Sängerinnen und Sänger dazu und wechseln sich ab. Das liest sich chaotisch, klingt aber wie aus einem Guss.

Auf der B-Seite hat Frank Turner die Songs von NOFX ebenso radikal umarrangiert.  Dabei hätte er bei „Scavenger Type“, ein Song über einen Straßenmusiker, einfach die minimale Instrumentierung mit Akustikgitarre übernehmen können. Stattdessen wird der Song mit allem, was eine Folk-Punk-Band aufbieten kann, vertont: Mehrere Gitarren, Klavier und zum Schluss sogar eine Mandoline bilden ein dichtes Songfundament. Die Reggae-Parodie „Eat The Meek“ erhält einen modernen Post-Punk-Sound, der an Bands wie die Editors erinnert.

Das Highlight stellt jedoch der letzte Song „Falling in Love“ dar. Fast doppelt so lang wie das Original im Skatepunk-Stil, entwickelt die Geschichte eines Liebespaares bei einem Flugzeugabsturz mit Turners gewaltiger Stimme und dem akustischen Arrangement eine ungeheure emotionale Wucht. Spätestens dann ist klar, dass er Fat Mike stimmlich haushoch überlegen ist.­­­­­ Jedoch fallen auch die Gemeinsamkeiten der beiden Songwriter auf: Fast alle Lieder sind durchzogen von einer tragischen Melancholie. Auch eine kritische Sicht auf Gesellschaft, die in den politischen Songs wie „Thatcher Fucked The Kids“ (hier von NOFX) besonders zutage treten, verbindet die Beiden.

Dennoch merkt man den Spaß, den alle Beteiligten an der Platte hatten und die gegenseitige Wertschätzung. NOFX haben sogar ein fertiges Album zurückgestellt, um zuerst diese Split-LP zu veröffentlichen. Zwischen der West Coast und Wessex liegen 9000 Kilometer und so nahe waren sie sich noch nie.

Fazit

7.7
Wertung

Sowohl Fans als auch Gelegenheitshörer erwartet ein spaßiges und musikalisch interessant gestaltetes Freundesprojekt.

Steffen Schindler