Lygo und „Schwerkraft“: Alles ist sowas von egal!

Lygos neues Album „Schwerkraft“ wirkt wie die Energie, die dich beim Hören nach unten zieht. Kompromisslos und laut resümieren sie die Widrigkeiten des Lebens, jedoch ohne dabei vollends den Verstand zu verlieren.

Daniels wilde Drums und die Stimmen von Simon und Jan sind das Erste, was man auf der neuen Lygo-Platte zu hören bekommt. Schon nach wenigen Sekunden ist man eingestimmt auf das, was da kommen mag. Ein unbestimmtes Gefühl zwischen Aufbegehren, Wut und Resignation stellt sich bereits beim Opener unter der Minuten-Marke „Alles ist egal“ ein. Im nahtlos folgenden „Festgefahren“, der zweiten Single-Auskopplung von „Schwerkraft“, berichtet die Band mit gewohnt rastlosem Gesang und treibenden Instrumentalparts von innerer Zerrissenheit, dem Scheitern an den eigenen Ansprüchen und dem tief sitzenden Gefühl, sich selbst einfach nicht genug zu sein.

Insgesamt mutet die Platte wie die nüchterne Bestandsaufnahme des Scherbenhaufens an, den wir Leben nennen. Deutlich düsterer und schwermütiger schreiben Lygo ihre Erfolgsgeschichte von „Sturzflug“ und „Misere“ fort, ohne dem eigentümlichen Sound dabei den Rücken zu kehren. Vielmehr scheint dieser Klang die logische Konsequenz in Lygos Entwicklung zu sein. Sie kriechen dir beim Hören förmlich unter die Haut, drehen dein Innerstes nach außen und lassen dich damit resigniert zurück. „Lippen blau“, „Fiebertraum“ und „Keine Leichtigkeit“ überbieten sich in ihrer Emotionalität, die ganz und gar ohne Kitsch oder Phrasen auskommt. Vielmehr ist man vom tiefen Einblick in die beschriebene Gefühlswelt, den klugen Texten mit ungeheurer Schlagkraft und der eigenen Konfrontation mit den inneren Konflikten bewegt. Obwohl allen Titeln diese bedrückende Ehrlichkeit innewohnt, kreisen Lygo nicht bloß um die immer selben Gedanken. Stattdessen entwerfen sie so differenzierte Szenerien, dass wirklich jede und jeder sich irgendwann selbst in ihnen entdeckt.

Mit „Lautlos“ erschafft die Band besonders eindrucksvolle Bilder und vertont den Zwiespalt zwischen Resignation und Aufbruch. Denn unter all dem Dreck, den das Leben so anspült, blitzt Zuversicht auf. Einfach und dennoch bestechend verdichten Gitarre und Bass die Atmosphäre durch den Wechsel von melodiösen Zwischenparts und schnellen schnörkellosen Riffs, während das Schlagzeug die aufgekratzten Gesangsstimmen ausnahmslos antreibt. Gerahmt wird der ausgedehnte Ausflug in die Verzweiflung von den Zeilen, die die Rettung aus der Ausweglosigkeit aufzeigen: „Alles ist so egal, solange das Gefühl stimmt, solange es dich mitnimmt.“ Sowohl im Opener, als auch im letzten Titel „Flughafen“ tauchen sie auf und bewahren die Hörerschaft vor der völligen Resignation.

Fazit

8
Wertung

Bedrückend ehrlich verlangen Lygo ihrer Hörerschaft mit „Schwerkraft“ ein kompromissloses Bilanzieren des eigenen Lebens ab. Wer ohnehin dem Nervenzusammenbruch nahe ist, sollte hier wohl besser weghören und wer entspannten Hörgenuss statt harter Hörarbeit erwartet ebenfalls.

Sarah Ebert
6.8
Wertung

Lygo tun es wieder: Kompromisslos, rotzig und viel zu oft unangenehm berührend bohren sie Blicke und Finger in blutende Wunden – die Fremden wie die Eigenen. „Schwerkraft“ bedrückt noch stärker als die Vorgänger. Dazu trägt auch der immer noch genauso knüppelnde, aber besser gemischte Sound bei.

Merten Mederacke