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William Fitzsimmons und "Ready The Astronaut": Tiefenausflug

"Ich wollte dieses Album nicht schreiben" sagt William Fitzsimmons - doch wie großartig, dass er es doch getan hat. So unerforscht wie der Weltraum ist manche persönliche emotionale Welt, doch mit diesem Album traut man sich vielleicht, etwas mehr einzutauchen - in eine wunderschöne Klanglandschaft und die Tiefe des Selbst.

Jeder Mensch hat sie, die Türe im Keller, hinter der tiefe Geheimnisse und Erfahrungen verschlossen sind. Nur selten, wenn überhaupt, wird sie geöffnet. Doch William Fitzsimmons hat einen Schlüssel parat und gibt uns so die Möglichkeit, in tiefere Stockwerke des eigenen Seins vorzudringen. All die Sachen, die man nie gesagt hat, die doch da sind und einen wenn auch nur unbewusst belasten, verarbeitet er in seinen tiefgründigen Songs. Das Aussehen eines Rockstars, die Stimme so weich, warm und einfühlsam wie ein Engel, die Texte so persönlich, emotional und tiefgängig wie kaum ein anderer Künstler es vermag zu schreiben. "Ready The Astronaut", das nun neunte Studioalbum des Amerikaners, beschäftigt sich erneut mit solchen Themen.

Eröffnet wird das Album mit dem Song “Dancing On The Sun” in dem eingeschworene Fitzsimmons-Fans bereits hören, dass dieses mal vermehrt synthetische Klänge und elektrische Instrumente zu Einsatz kommen. Das Themenfeld Weltraum wird beim aufmerksamen Hören nicht entfallen sein und durch die flächigen Klänge deutlich hervorgehoben. Schaut man sich das liebevoll gestaltete Video zu "Dancing On The Sun" an, wird klar, dass Fitzsimmons über eine verlorene Liebe und den daraus entstehenden emotionalen Crash singt - so ergeht es leider auch dem Männlein aus Pappe in besagtem Video. Aus kompositorischer Sicht ist spannend, dass, obwohl der Refrain durch die E-Gitarre dazu einlädt, Fitzsimmons im Gesang nicht in die höhere Oktave geht, sondern in der leicht rauchigen tiefen Gesangslinie bleibt. 

Auch der nachfolgende Track “No Promises” bedient sich dem Klangteppich und ist ähnlich traurig. Durch die vorherige geplatzte Ehe ist, trotz der Trauer, ein ganz kleines, vielleicht sogar leicht gleichgültiges Augenzwinkern herauszuhören. Die Textzeile “But hey, no promises” würde auch ohne die kleine Anrede funktionieren, aber hier sind wir. 

Der Song “Daedalus, My Father” beschäftigt sich mit der Abwesenheit des eigenen Vaters und der damit einhergehenden Ratschläge und Festigkeit in Krisensituationen. In Parallelen mit der Figur Daedalus aus der griechischen Mythologie zu verstehen, seines Zeichens Erfinder, Techniker, Baumeister und Künstler, fehlt diese väterliche Stütze. Leider fehlt hier der Platz um den gesamten Text zu zitieren, doch sticht eine Stelle ganz besonders hervor: 

“Could I fix these wings? All the wax and the plume have nearly fallen out. And my father's nowhere, to help me figure out - If a word I could say Would ever change your mind. So I walk on the water and sink down every time.”

Alleine auf sich gestellt zu sein ist trotz gesammelter Lebenserfahrung und gestandenen Alter ab und zu doch eine große Herausforderung. Spezifisch in diesen Text mehr einzutauchen bietet sich mehr als an, da auch ein Musikvideo die Tiefe dieses Songs noch unterstreicht.

Der Titeltrack “Ready the Astronaut” sorgt für Gänsehaut durch ein einzigartiges Klangerlebnis und eine großartige Spannung. Durch die ansteigende Dynamik würde man fast denken, dass Fitzsimmons nun in den Rockstarmodus wechselt - doch leider ist das an dieser Stelle das falsche Genre. Aber es geht auch ohne Schreien. Ein wunderschön spannendes Lied, dass auch nach mehrmaligem Hören immer noch Überraschungen bereit hält. Man schließe die Augen und stelle sich vor, man sei selbst der Astronaut, der aus der Raumstation aussteigt und ins grenzenlose Weltall schaut. Fitzsimmons bringt die Musik und textliche, kompositorische Tiefe, man selbst hat den Weltraum vor sich. Das Bild vor dem inneren Auge und die eigene Vorstellungskraft ergeben dadurch schon fast eine Art “interaktives” Album.

Fazit

8
Wertung

Um die Tiefe dieses Albums zu begreifen, muss man sich bewusst Zeit nehmen, um es zu hören. Und man wird merken: Es lohnt sich. William Fitzsimmons lädt auf eine klangliche Reise durch den Kosmos ein, malt Bilder vor dem inneren Auge und eröffnet manche gedanklichen Anstöße. Ein großartiges Album für das emotionale Denken und Lernen. 

Jan-Severin Irsch
6.6
Wertung

Singer-/Songwriter laufen gut und gerne Gefahr, sich in Gefühlsduselei zu verlieren. Mister Fitzsimmons kann sich hiervon nicht vollends freisprechen, liefert allerdings eine wohlklingende Symbiose aus folkloristischen und elektronischen Mengenanteilen, die für bedächtiges Entertainment sorgt. „Ready the Astronaut“ entfaltet seine Wirkung auf Albumlänge.

Marco Kampe