Eine Videokonferenz, selbst wenn sie über den Atlantik führt, ist heutzutage nichts besonderes mehr. Eigentlich. Denn William Fitzsimmons ist nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch eine unglaublich interessante, intelligente und spannende Persönlichkeit. Der frühere Psychotherapeut, der mittlerweile durch diverse Alben, Tourneen und Auftritte seinen Namen auch international gefestigt hat, begrüßt mich um 11 Uhr seiner Ortszeit aus den USA. “Hey Buddy” sagt er lächelnd, als würden wir uns schon länger kennen. Blaues Jeanshemd, Brille, Vollbart und Glatze - Fitzsimmons wirkt entspannt und trotz der ganzen Pandemie recht glücklich, während er seine Kaffeetasse in der Hand hält.
Mit mehreren Alben und Preisen in seiner Diskographie hat William Fitzsimmons nun sein neuntes Studioalbum fertig geschrieben. Wie immer, geht es um sehr persönliche Themen. Auf die Frage, wo der kreative Auslöser herkam, diese Platte zu schreiben, antwortet er, dass er immer eine Art Ziel, ein Erlebnis brauchte, um in einen Schaffensprozesse einzusteigen. Besagtes Erlebnis hat sich aus mehreren Dingen zusammengesetzt. So begann Fitzsimmons zum einen Bücher über den ersten Weltkrieg zu lesen. “Ich habe dieses Buch, es heißt 'Berichte aus erster Hand', in dem es um die Erlebnisse der Soldaten auf beiden Seiten geht, wie sie in ihren Fuchsbauten, in den Schützengräben gelegen haben. Für mich ist das unglaublich spannend und interessant. Und in der Mitte von all dem ist mein Leben quasi abgestürzt und hat einen Crash erlebt. Mein vorheriges Album, “Mission Bell”, ist eigentlich eine Art Liebeserklärung an meine Jetzt-Ex-Frau. Ich hatte es fertig geschrieben und herausgegeben zum Pressen, aber das dauert halt Monate. In der Zwischenzeit haben wir dann versucht, die Dinge zu reparieren. Es war echt ein bisschen komisch.”
Es sei aber kein Scheidungs- oder Trennungsalbum. “Davon habe ich schon bestimmt 30 geschrieben”, sagt er lachend. "Ready The Astronaut" ist vielmehr eine Platte über die Angst des Versagens. “Es ist eine individuelle Reise, ähnlich wie ein Astronaut, der aus der ISS aussteigt und das Weltall betritt. Diese Person hat Partner und ein Team, aber wenn etwas schief geht da draußen, ist er auf sich allein gestellt. Gibt es eine Erfahrung, in der man sich mehr alleine fühlt, als eine Reise ins Weltall?”
Die Devise ist die Angst vor einem neuen Kapitel des Lebens, das man anfangen muss, auch wenn man nicht will. Nach besagter Scheidung ist Fitzsimmons nun neu verlobt und wird bald Vater. Er weiß aber selber gerade nicht wo sein Leben hinführt, ähnlich sei es beim Entstehungsprozess des Albums gewesen. “Ich konnte also entweder aufgeben oder springen. Das war das Genesis, das war der Anfangspunkt. Ich wollte dieses Album eigentlich nicht schreiben. Aber ja, das ist das Leben.”
Von der Pandemie im kreativen Sinne beeinflusst ist das Album jedoch nicht. Vor dem globalen Ausbruch des Virus wurde das Album fertig geschrieben und aufgenommen. Eine gute Sache, meint Fitzsimmons. Er betrachtet die Pandemie nicht als etwas Spannendes, worüber man gut schreiben kann. Seine Zeit hat er trotzdem gut genutzt. Eine Art “Ready the Astronaut” Version 2.0 war eines seiner Projekte, auch ein Coveralbum ist momentan in der Mache. “Ich könnte entweder jeden Tag Kette rauchen und mich besaufen, und naja, irgendwo mache ich das auch mal hier und da, und jeden Tag 15 Stunden schlafen und Fernsehen, oder ich könnte ins Studio gehen und besser werden.”
“Never waste a crisis” sage ich und seine Augen leuchten auf. “Ja, total. Das ist so schön formuliert! Da bin ich dankbar für meine Kinder. Ich kann ja nicht ein totales Wrack sein, durch das sie dann leiden, nichts davon ist deren Schuld”, sagt Fitzsimmons und nimmt einen großen Schluck Kaffee. Der Tonfall wird nachdenklicher, der Blick wandert kurz zum Fenster raus. Nicht touren zu können wäre allerdings gerade das Schwerste für ihn, sagt er. Geld sei zwar das Eine, aber es ist die psychologische Seite daran, die wirklich schmerzt. “Auf Tour zu sein macht Spaß, mit den Leuten abzuhängen mit denen man musiziert, die man kennt und liebt. Viele Künstler kämpfen gerade mit sich selbst und den Umständen. Es ist aber auch irgendwo eine Herausforderung. War ich vielleicht zu süchtig nach Bestätigung und Applaus?” Eine spannende These ist das allemal. Spielt man als Musiker*in nicht, des Spielens Willen, sondern wegen der Bestätigung und des Applauses den man erfährt, wenn man auf der Bühne ist? “Aber Bestätigung?” denkt Fitzsimmons weiter, “Das ist eigentlich nichts Gutes, das zu brauchen. Es ist vielleicht etwas klischeehaft, aber ich vermisse einfach das Spielen.” So hoch ein Astronaut auch “fliegen” mag, so sehr am Boden geblieben ist William Fitzsimmons dann doch.