Mein Lieblingssong von: Die Toten Hosen

Wieder einmal sammelt die Redaktion den Lieblingssong zu einem Thema, Album, Künster*in oder Genre und bleibt diesmal an einer schwierigen Wahl hängen. Die Einen verbinden mit den Toten Hosen einfach zu viel, die anderen eigentlich zu wenig.

Nun denn, eigentlich hatte ich mich bei der Auswahl der Redaktionsmitglieder, die diesen Monat teilnehmen sollten, sehr gefreut. Da sind zum einen, die vermutlich sehr viel dazu beisteuern können, die sehr große Fans sind und denen deshalb die Wahl sehr schwerfallen wird, aber eben auch andere, die das gleiche Problem haben, aber nur deshalb, weil sie mit den Hosen wenig Positives verbinden. In der Freude über dieses Scharmützel habe ich vergessen, dass ich ja ebenso einen Beitrag erstellen muss. Und ich liebe die Hosen sehr, weshalb mir die Wahl wahnsinnig schwerfällt, denn eigentlich kann ich unmöglich den einen Song nehmen, andere aber nicht mal erwähnen. Deswegen gehe ich minimal Outside the Box und entscheide mich für einen Song, den es nur live auf Platte gibt, "Der Bofrost Mann". Erstmal der Skandal, wie wenig Punk Kuddel selber ist, als im Wiener Burgtheater offenbart wird, dass er zweimal die Woche eine Lieferung erhält. Wenn es einen Indikator geben soll, ob jemand Punk ist oder nicht, es sollte meiner Meinung nach die Anzahl der Lieferungen von Bofrost sein. Ist die Angabe der Anzahl nicht maximal, "Dieser Scheiß kommt mir nicht ins Haus.", so sollte man es der Person gerichtlich verbieten sich Punk nennen zu dürfen. Tut sie es dennoch, ist das auch schon ein ziemlich punkiges Gebaren, irgendwie komme ich da nicht weiter. Zurück zum Song, der ist so wunderbar stumpf und einfach, genau Meins also. Er macht Spaß, Freude, man kann ihn wunderbar singen, grölen, pfeifen. Ein Schweizer-Messer unter den Songs. Irgendwie kein gutes Zeichen bei einer Punkband einen Unplugged-Song zu nehmen, aber die Entscheidung fiel schwer genug, kann man nichts machen.

Weitere Lieblinge:

"Entenhausen bleibt stabil"; "Der Mond, der Kühlschrank und ich"; "Urknall"

 

Im letzten Jahr feierten die Toten Hosen 40-jähriges Jubiläum, über die Zeit kam so einiges an Musik zusammen, ihre Diskografie zählt weit mehr als 350 Songs. Also sicherlich nicht verwunderlich, dass es mir nicht ganz leicht fällt, mich da für einen Song zu entscheiden. Ganz nebenbei handelt es sich bei den Toten Hosen auch noch um eine meiner absoluten Lieblingsbands, was die Entscheidung nicht gerade einfacher macht.
Letztendlich fällt meine Wahl auf „Der letzte Kuss“. Ein nicht wirklich Hosen-typischer Song, indem ein Klavier den Ton angibt. Aber gerade das macht den Song so spannend. Die Jungs können laut und rockig, das wissen seit „Hier kommt Alex“ die meisten. Doch auch ruhige und gefühlvolle Lieder zu schreiben, liegt nicht außerhalb ihres Könnens. Ein Song über die Liebe, daran haben sich schon viele Musiker versucht, und auch für die Toten Hosen ist das kein Neuland. Campino widmet sich dem Thema philosophisch und lässt den Hörer an seiner melancholischen Gedankenwelt teilhaben. Musikalisch harmoniert das Lied perfekt, langsam baut es sich Instrument für Instrument auf und hüllt den Gesang in eine passende, leicht düstere Stimmung. Eine neue, verletzliche Seite kommt zum Vorschein, die die Band nicht oft preisgibt. Kaum ein anderer Hosen Song, schafft es mich so zu bewegen, weshalb ich „Der letzte Kuss“ als meinen Lieblingssong definieren würde.

Weitere Anspieltipps: "Willkommen in Deutschland", "Europa", "Lass los", "Ehrenmann"  

Wenn man den Moment benennen müsste, an dem die Toten Hosen jedes Restbisschen Punk-Credibility verloren haben, dann ist das der, in dem der versammelte CDU-Vorstand „Tage wie diese“ singend den Wahlsieg feierten. Dass sich Angela Merkel dafür wohl persönlich bei Campino entschuldigt hat, macht das ganze nicht besser. Eher im Gegenteil.
Aber eigentlich tut das nichts zur Sache, denn es soll hier ja um meinen Lieblingssong von ihnen gehen. Und natürlich habe ich einen Lieblingssong von den Toten Hosen. Diese Band ist in Deutschland Kulturgut und es würde an ein Wunder grenzen, wenn sich nicht mindestens die Refrains ihrer unzähligen Dorffetenhits in mein Gedächtnis eingebrannt hätten.
Mein Lieblingssong ist allerdings kein Partysong, kein Liebeslied und kein Schlagercover, sondern „Europa“ vom 2012 erschienen Album „Ballast der Republik“. Er handelt von der lebensgefährlichen Flucht aus Nordafrika über das Mittelmeer. Ich hörte „Europa“ das erste Mal, als ich begann, mich zu politisieren und ich glaube, dieser Song hat keinen kleinen Anteil daran. Der wahnsinnig eindringliche Text von Campino klagt das menschenverachtende System der Festung Europa an, die in dem Jahrzehnt seit der Veröffentlichung des Liedes ihre Mauern immer höher zog und immer noch Menschen deportieren und ersaufen lässt. Hätte die CDU bei ihrer Wahlparty lieber mal diesen Song gesungen.

Weitere Lieblinge: „Bonny & Clyde“, „Die Moorsoldaten“ „Walkampf“,  

Trotz der Tatsache, dass ich im Thema Die Toten Hosen eher weniger bewandert bin, habe ich wie wohl jeder, der die Band nicht komplett ablehnt (und selbst diese Menschen können „Tage wie diese“ mitsingen) einen Lieblingssong der Band. Aufgenommen bei einem der Akustikkonzerte bekam, das Lied „1000 gute Gründe“ einen ganz fantastischen neuen Anstrich, welcher den Song trotz des Fehlens von elektrischen Riffs einen sehr viel dynamischeren Charakter verleiht. Dazu bietet das Stück die politische Metapher des Anti-Patriotismus und vielem, was vor allem in Deutschland falsch lief und immer noch läuft, denn der Text passt weiterhin auf Teile der Gesellschaft in diesem Land. Es sollte wieder viel mehr dieser Hosen Songs geben, dafür kann man gern die kritische Selbstbeweihräucherung seiner selbst, Pseudo Hymnen oder die melancholischen Sehnsuchtsballaden unter den Teppich fallen lassen!

Weitere Lieblinge: "Hier kommt Alex" (Sorry, aber ich liebe Clockwork Orange), "Willkommen in Deutschland"

Die Toten Hosen begleiten mich seit meinem 16. Lebensjahr. Die Single „Hier kommt Alex“ und das dazugehörige Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“ waren der Türöffner für eine für mich neue Welt von Musik.

Die Frage nach dem Lieblingssong einzelner Bands oder Künstler:innen kann für mich nur über die emotionale Nähe zu einzelnen Songs führen. So auch bei der Düsseldorfer Combo. Es war der Januar 1991 als ich zum ersten Mal mit einem Gefühlschaos konfrontiert wurde, welches ich bis dahin nicht kannte. Meine erste große Liebe, mein damaliger Lieblingsmensch, machte Schluss und ignorierte mich. Und alle naiven, mal kindlichen, mal aufdringlichen Versuche diese Beziehung zu beleben, endeten in Schmerz und ihrer völligen Zurückweisung: Sie ignorierte mich fortan. In diese Phase der pubertären Niedergeschlagenheit und Depression herabgerissen in ein Nichts platzte der Hosen-Song „All die ganzen Jahre“ vom Album „125 Jahre Die Toten Hosen – Auf dem Kreuzzug ins Glück“. Mit vielen Jahren Abstand ist mir klargeworden, dass es nicht explizit um Liebe oder um Zurückweisung geht, sondern um Freundschaft, die trotz aller gemeinsamen Erlebnisse vorbei ist. Das war mir in meiner Situation damals nicht klar. Der Song, seine Aussage passte, war aus meiner Sicht einzig und allein für mich geschrieben worden. „All die ganzen Jahre“ ist eines dieser Lieder, von denen ich damals wusste, dass sie mir nicht guttun, dass sie mich weiter abwärts ziehen, aber ich konnte dennoch nicht von diesem Lied lassen.

Es wird immer Teil meines Lebens bleiben. Aber heute, nach all den ganzen Jahren, löst dieses Lied zwar immer noch ein wenig Melancholie aus, aber keine einzige Zeile verursacht mehr Schmerz oder reißt mich in Dunkelheit. Ich bin mein Leben weitergegangen, habe meine Frau getroffen, und die Erinnerung an die erste große Liebe verblasste. Na ja, nicht ganz, es sei denn, es läuft „All die ganzen Jahre".

Es gibt viele Songs der Toten Hosen, die im Laufe meines Lebens eine ähnliche Emotionalität und Bindung entwickelt haben, in der Regel durch persönliche, emotionale Erlebnisse. Da wäre „Wir bleiben stumm“ (Album „In aller Stille“), welches ich als Grundlage für eine Abschiedsrede einer Schulklasse verwendet habe.

Und natürlich „Das ist der Moment“ (Album „Ballast der Republik“) – es gibt dieses eine Video, als unser Sohn mit seinem drei Jahren mir das komplette Lied entgegen schmettert.

Und was wäre meine Beziehung zu den Toten Hosen wert ohne „Verschwende deine Zeit“ (Album „Damenwahl“) – ein Grundsatz, den ich mir heute noch beibehalte, um im Mahlstrom des beruflichen Stresses und der privaten Verantwortung nicht durchzudrehen.