Die Toten Hosen begleiten mich seit meinem 16. Lebensjahr. Die Single „Hier kommt Alex“ und das dazugehörige Album „Ein kleines bisschen Horrorschau“ waren der Türöffner für eine für mich neue Welt von Musik.
Die Frage nach dem Lieblingssong einzelner Bands oder Künstler:innen kann für mich nur über die emotionale Nähe zu einzelnen Songs führen. So auch bei der Düsseldorfer Combo. Es war der Januar 1991 als ich zum ersten Mal mit einem Gefühlschaos konfrontiert wurde, welches ich bis dahin nicht kannte. Meine erste große Liebe, mein damaliger Lieblingsmensch, machte Schluss und ignorierte mich. Und alle naiven, mal kindlichen, mal aufdringlichen Versuche diese Beziehung zu beleben, endeten in Schmerz und ihrer völligen Zurückweisung: Sie ignorierte mich fortan. In diese Phase der pubertären Niedergeschlagenheit und Depression herabgerissen in ein Nichts platzte der Hosen-Song „All die ganzen Jahre“ vom Album „125 Jahre Die Toten Hosen – Auf dem Kreuzzug ins Glück“. Mit vielen Jahren Abstand ist mir klargeworden, dass es nicht explizit um Liebe oder um Zurückweisung geht, sondern um Freundschaft, die trotz aller gemeinsamen Erlebnisse vorbei ist. Das war mir in meiner Situation damals nicht klar. Der Song, seine Aussage passte, war aus meiner Sicht einzig und allein für mich geschrieben worden. „All die ganzen Jahre“ ist eines dieser Lieder, von denen ich damals wusste, dass sie mir nicht guttun, dass sie mich weiter abwärts ziehen, aber ich konnte dennoch nicht von diesem Lied lassen.
Es wird immer Teil meines Lebens bleiben. Aber heute, nach all den ganzen Jahren, löst dieses Lied zwar immer noch ein wenig Melancholie aus, aber keine einzige Zeile verursacht mehr Schmerz oder reißt mich in Dunkelheit. Ich bin mein Leben weitergegangen, habe meine Frau getroffen, und die Erinnerung an die erste große Liebe verblasste. Na ja, nicht ganz, es sei denn, es läuft „All die ganzen Jahre".
Es gibt viele Songs der Toten Hosen, die im Laufe meines Lebens eine ähnliche Emotionalität und Bindung entwickelt haben, in der Regel durch persönliche, emotionale Erlebnisse. Da wäre „Wir bleiben stumm“ (Album „In aller Stille“), welches ich als Grundlage für eine Abschiedsrede einer Schulklasse verwendet habe.
Und natürlich „Das ist der Moment“ (Album „Ballast der Republik“) – es gibt dieses eine Video, als unser Sohn mit seinem drei Jahren mir das komplette Lied entgegen schmettert.
Und was wäre meine Beziehung zu den Toten Hosen wert ohne „Verschwende deine Zeit“ (Album „Damenwahl“) – ein Grundsatz, den ich mir heute noch beibehalte, um im Mahlstrom des beruflichen Stresses und der privaten Verantwortung nicht durchzudrehen.