Kolumne

Zum Ende von Russkaja – Adieu, Psycho-Traktor

Die Schaffung kultureller Brücken, die Förderung von gegenseitigem Verständnis oder auch kollektives Traktorfahren - Sind dies nicht jene Trademarks, die Anhänger:innen der subkulturellen Szenen am meisten schätzen und durch die sie sich seit jeher verbunden fühlen? Vermutlich, doch bekommt dieser Zusammenhalt durch die notgedrungene Auflösung einer österreichischen Szenegröße unverkennbare Risse.

Seien wir realistisch: Der selbstbetitelte Turbo Polka der Band Russkaja hat seit der Gründung im Jahr 2005 nicht ausschließlich für Jubelstürme gesorgt. Manche rieben sich an der Überstrapazierung osteuropäischer Klischees, manchen war das kreative Schaffenswerk musikalisch und/oder lyrisch schlichtweg zu spaßbetont (≈ stupide). Dabei bewies die Formation um Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria stets, dass man sich galant in verschiedenen Subgenres bewegen kann, ohne dabei eigene Trademarks einbüßen zu müssen. Russkaja verfolgten eine übergeordnete Idee der Völkerverständigung. Diese äußerte sich in mannigfaltigen Covern von Avicii, Katy Perry und Jürgen Drews (!). Sie äußerte sich in einem Spagat zwischen dem Wacken Open Air und dem Showformat Willkommen Östereich. Und sie äußerte sich in gesellschaftspolitischen Statements in Wort und Schrift, nicht zuletzt seit dem verheerenden Krieg in der Ukraine.

Letzterer scheint neben den zahllosen Opfern auch immer tiefgreifendere Folgen für die Kulturbranche zu haben. Als direkte Reaktion auf den russischen Angriffskrieg sagten Künstler:innen wie In Extremo oder Lindemann ihre dort geplanten Konzertreisen ab, wohl wissend um ihre bis dahin ungebrochene Popularität in Russland. Russkajas Schicksal allerdings wiegt in Anbetracht dieser durchaus ebenfalls wegweisenden Entscheidungen noch ungleich schwerer. Sie mussten in den letzten Monaten nicht nur Konzertreisen hinterfragen, sondern um die Deutungshoheit ihres Gesamtwerks („Russki Style“) ringen. Der Fortbestand der Band wurde schon vor Monaten öffentlich zur Disposition gestellt, nun herrscht Klarheit. Eigenes Unwohlsein ob der munteren Folklore und der aufschäumende Hass im Internet gaben schließlich den Ausschlag, das Projekt in der Blüte seiner Existenz aufzukündigen. Dies ist ein nachvollziehbarer Schritt, stehen doch einige Songs spätestens seit dem 24.02.2022 in einem völlig anderen Licht dar. Dies ist aber auch ein schmerzhafter Schritt für Freund:innen inklusiver Musikprojekte. Die Formation brachte in ihrer Zusammensetzung verschiedene Sprachen, Identitäten und Ansichten zusammen, während sich Menschen vielerorts immer weiter in ihre heimeligen Blasen zurückziehen. Sie schaffte es, ein Gegengewicht zum deutschen Schlager und dem US-amerikanischen Pop-Punk zu schaffen (wenn wir von leichter Kost und bedingungslos guter Laune sprechen). Das jüngst veröffentlichte, siebte und vorerst letzte Studioalbum trägt den Namen "Turbo Polka Party". Illustre Gäste wie Michael Rhein (In Extremo, Universum25) erweisen Russkaja ein letztes Mal die Ehre und man darf den bekennenden Verfechter:innen europäischer Grundwerte damit nur viel Erfolg wünschen, werden doch einige Einnahmen humanistischen Projekten zugeführt.

Was am Ende bleibt sind unvergessene Auftritte, skurril anmutende Kollaborationen und eine große Portion "Liebe für die Freaks", wie es die Sondaschule so treffend formuliert hat. Vielleicht kommen Zeiten, in denen Russkajas Werke wieder ausgegraben werden und in neuem Licht erstrahlen dürfen. Bis dahin darf man nur auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine hoffen.