Joes Nagelstudio: "With Teeth" - eine saukomische Kolumne
07.11.2021 | Johannes Kley
Warum tun wir Dinge? Wie das Schreiben dieser Kolumne beispielsweise. Hat das irgendeinen Zweck oder Sinn? Finanziell schonmal nicht, aber genau deshalb macht es Spaß. Es ist mir und auch dem Rest der Redaktion völlig egal, wie viele Klicks wir auf irgendeinen Artikel bekommen und ob es den Musikern und Musikerinnen oder den Maschinerien dahinter gefällt. Ich schreibe hier seit ein paar Jahren und habe nie erwartet, irgendwas dafür zu bekommen, außer eben einen Ort im Netz, wo ich meinen gedanklichen Schwachsinn in die Welt blasen kann und es vielleicht immer mal einen Menschen gibt, dem es gefällt. Das ist der Luxus, den wir haben. Außerdem macht es Spaß und ich hoffe stets, Menschen die Musik näher zu bringen, die mir sehr viel bedeutet.
Anders sieht es bei Pitchfork.com aus. Ihr Slogan „The Most Trusted Voice In Music“ ist schonmal interessant, weil die „The Fragile“ damals mit 2.0 abgespeist haben, nur um der Definitive Edition mit 8.7 eine deutlich andere Wertung zu geben. Also ich vertraue euch schonmal nicht, aber das nur am Rande. Also "The Fragile" nicht zu mögen ist eine Sache, aber 2.0? Selbst Skrillex hat 5.7 bekommen. Aber ich habe auch schon Wertungen gegeben, die nicht jeder mag und meine Meinung zu Pink Floyds "Dark Side Of The Moon" fand auch nicht nur Freunde. So ist das eben mit einer Meinung und Geschmack.
Ich bin hatte vor ein paar Tagen (oder Wochen, je nachdem, wann dieser Artikel erscheint) Geburtstag und bin nun 33 Jahre alt. Manch ein Mensch könnte nun sagen, dass ich vielleicht langsam ein wenig zu alt bin, um hier Fanboy-Content als Kolumne zu veröffentlichen. Aber wie gesagt - es macht mir Spaß. Auf jeden Fall habe ich dann mal einfach die anderen Bewertungen von Nine Inch Nails-Alben bei Pitchfork gecheckt, weil ich bei reddit.com über ein Meme stolperte, in welchem die Album-Review zu Peppa Pigs Album vorkam. Sollte es ein Nine Inch Nails-Abum geben, welches den selben Score von 6.5. hat? Natürlich wurde ich fündig, machte eine Umfrage im Redaktions-Chat und unserer Telegram-Gruppe (Ja man, komm in die Gruppe! Gestern hatte ich nur 5 Euro und heute nicht mehr, weil ich es versoffen hab! Ja man! Geil! Vrooom vrooom!), die unverschämterweise zu Gunsten der Sau ausging und so entstand die Idee zu dieser Ausgabe.
Noch ein paar sinnlose Informationen dazu. Ich habe direkt vor dieser Entdeckung einen Interview-Auschnitt gelesen, in welchem Reznor und Danny Elfman gefragt wurden (die zwei haben einen Song zusammengemacht, aber der ist eher mäßig, weshalb ich den hier nicht besprechen werde. Ist auch eher ein Remix, aber das Ausgangsmaterial war schon öde und Reznor hat es nicht wirklich gerettet) was sie in der Pandemie genutzt haben, um sich aufzuheitern. Elfman schaut dafür „The Great Britisch Baking Show“ und Reznor guckt mit seinen Kindern Peppa Pig. Zufall? Ich glaube nicht mehr dran. Ich mein Reznor hat das Wort „pig“ auch gern in Songtiteln („Piggy“, „March Of The Pigs“) oder in Songs genutzt und jetzt das?
Ihr fragt euch sicherlich, was ich jetzt hier mache, oder? Ich schreibe ein bisschen über das 2005er Album „With Teeth“ was Reznors Rückkehr zur Musik darstellte, nachdem er clean geworden war und werde mir das Peppa Pig-Album anhören und schauen, welches besser ist. Klingt bescheuert, oder? Ist mir klar, dass Peppa Pig sich eigentlich an Kinder richtet? Ja. Mag ich einige Songs der „My Little Pony: Friendship Is Magic“-Reihe? Ja. Na dann ist ja alles klar. Los geht’s.
„With Teeth“, welches erst „Bleedthrough" heißen sollte, war das erste Studioalbum der Band, welches ich je gehört habe. Ich kam ja nur auf Nine Inch Nails, weil ein namenhaftes Gothic-Musikmagazin damals darüber geschrieben hat und habe mir erst das Live-Album gekauft. Danach kam eben „With Teeth“. Natürlich hat es dadurch ein besonderen Stand bei mir, obwohl es nicht zu meinen Lieblingsalben zählt. Reznor war damals sehr unsicher und vorsichtig. Er hat auch mal in einem Interview gesagt, dass er nicht wusste, ob er überhaupt noch schreiben kann und so hat er klassisch auf dem Klavier angefangen und die meisten Songs sind so geblieben.
„With Teeth“ ist kein schlechtes Album und für mich besser als die meisten anderen Releases überhaupt, aber im NIN-Katalog ist es eben nicht mein Favorit. Dennoch möchte ich ein „Right Where It Belongs“ (beide Versionen) niemals missen und auch „Beside You In Time“ ist einer der stärksten Songs der Band.
Es ist vermutlich, abseits der „Ghosts“-Alben, das sanfteste Album und eben sehr piano-lastig und wirkt vor allem im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Alben unglaublich ruhig und besonnen. Reznor hatte wie bereits erwähnt sein Leben geändert und sich von Drogen und Alkohol entfernt, was wohl auch seiner psychischen Gesundheit gut getan hat. Trotzdem wird das Thema aufgegriffen und bis heute zieht es sich ja als roter Faden durch seine Alben. Grob gesagt: Es wird besser, aber niemals gut. Aber er lebt noch, was bei „The Fragile“ deutlich hörbar auf der Kippe stand und allein das ist ein Erfolg.
Songs wie „The Hand That Feeds“ oder auch „Only“ haben Ohrwurmpotential und machen auch echt Spaß, so dass ich es nur empfehlen kann, dass Album mal beim Streamingdienst eurer Wahl anzumachen oder sich sogar die CD oder Vinyl zu kaufen. Da ich kein Streaming nutze, weiß ich nicht, welche Version des Albums dort zu finden ist. Es gab mal diesen dämlichen Trend, gewisse Songs nur in gewissen Ländern zu veröffentlichen und „With Teeth“ gehört leider zu diesen Alben. Das zuvor erwähnte „Right Where It Belongs“ hat zwei Versionen und beide sind genial, aber die zweite Version gibt es eben nicht überall und von „Home“ gibt es auch nur gewissen Versionen des Albums. Ich bin kein Fan vom Streaming, aber ich glaube, dass es ein Grund ist, warum es so einen Mist nicht mehr gibt. Ich musste damals eine UK-Version kaufen, um alle Songs zu haben und Menschen aus den US fehlten gleich mal zwei Songs. Was das sollte, weiß ich nicht.
Abschließend kann ich nur empfehlen dem Album eine Chance zu geben. Es stellt den Beginn meiner unendlichen Liebe für die Band dar. Da muss es doch gut sein, oder?
Zeit sich mit der entscheidenden Frage zu beschäftigen. Ist „Peppa’s Adventures: The Album“ genauso gut. Die Menschen in der Telegram-Gruppe durften abstimmen (ohne zu wissen, dass es diese Ausgabe der Kolumne gibt) und 62% finden Peppa Pig besser als Nine Inch Nails. Im Redaktions-Chat waren es sogar 78%. Da wären wir wieder bei der Frage, warum ich diese Kolumne überhaupt schreibe, aber ich bin alt genug um mitzulachen und mich dann eben in meinem Urlaub hinzusetzen und mir Songs wie „Birdy Birdy Woof Woof“ anzuhören.
Ich muss dem Album direkt zugestehen, dass der Song „Recycling“ ein Thema aufgreift, welches Reznor, so weit ich weiß, noch nie behandelt hat und dabei leben wir in einer Welt, in der Müll ein echtes Problem ist. Peppa klärt Kinder dabei darüber auf, das Recycling wichtig ist. Klare Aussage, etwas nerviges Lied, aber wie gesagt - Reznor beschäftigt sich nicht damit. Vielleicht weil er ein Amerikaner ist und damit im Land der Müllweltmeister lebt und Peppa als Britin in einem Land lebt, das weniger Müll produziert als Deutschland. Die haben auch Probleme, aber vielleicht kann Atticus Ross als Brite ja Trent überreden auch einen Recycling-Song zu machen. Vielleicht für das Nachfolge-Album zu „Year Zero“, da dieses ja schon mehr Sozialkritik als Beschäftigung mit eigenen Dämonen enthielt. Ich schweife ab.
Peppa singt dann noch ein Schulbus-Lied, bei dem sie beschreibt, was sie so alles sieht und auch ein Lied mit dem Inhalt, dass jeder Mensch (oder Schwein/Sau?) alles schaffen kann. Berührt mich nicht wirklich, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe und auch wenn ich keine Kinder möchte, finde ich die ganz passend, auch wenn ich die My Little Pony-Songs einfach angenehmer finde, aber da liegen auch ein paar Jahre zwischen den Zielgruppen. Zum Mitsingen sind die Songs super und wer ein frühes Interesse an der englischen Sprache sorgen will, kann damit nicht viel falsch machen.
Ich bin mit den Charakteren nicht wirklich vertraut, abseits von YouTube-Kacke zumindest, und so sind sie mir recht egal, aber Peppas Familie kommt immer mal wieder zu Wort und auch andere Figuren aus der Serie schreien und quietschen in die Ohren. Also für Fans ein interessantes Album. Mit nicht einmal 25 Minuten ist die Scheibe allerdings recht kurz. Da hätte ich mir noch einen Song über das Waschen der Hände und Nies-Etikette gewünscht, kam es doch erst dieses Jahr raus. Aber naja, passt eben zur Corona-Politik des Landes.
Kommen wir zu meinem Fazit. Also ich seh da keine 6.5-Wertung, denn es ist teilweise echt anstrengend, aber ich bin auch nicht die Zielgruppe und die Musik, die ich als Kind geliebt habe, ist heute auch nicht mein Favorit und Nine Inch Nails ist für Kinder viel zu langweilig und düster. Das war’s.
Wer Peppa Pig mag, darf sich das Album anhören und lernt noch was über Recycling, was beim Anblick deutscher Straßen ja offensichtlich noch notwendig ist.
Ich empfehle einfach das Reinhören in „With Teeth“. Es ist ein grandioses Album, auch wenn es vielleicht im Schatten anderer Nine Inch Nails-Releases steht. Es ist nachdenklicher und ruhiger als andere Alben der Band, aber es ist eben auch der Beginn der zweiten Ära von Nine Inch Nails, in welcher Reznor Alkohol und Drogen (und Marilyn Manson) hinter sich ließ und viele Alben schuf und etliche Scores veröffentlichte. Es ist wichtig und es ist verdammt gut.
Abschließend entschuldige ich mich für diese Ausgabe. Die nächste (welche eigentlich schon fast fertig war, aber ich habe meinen Plan spontan geändert) wird wieder so wie die anderen. Also mehr Nine Inch Nails und weniger Schwachsinn. Ich hoffe ich konnte euch dennoch unterhalten. Und hört "With Teeth".
Johannes Kley
Kolumnist und Konzertmuffel Joe ist Gesundheits- und Krankenpfleger in Bochum, liebt seinen Hund, liest leidenschaftlich gern, gibt ungern Bewertungen für Alben ab, ist Musikliebhaber, irgendwo zwischen (emotional) Hardcore, Vaporwave, Goth-Pop und Nine Inch Nails und versorgt euch unregelmäßig mit geistigen Ergüssen aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt.