Joe: Wann bist du das erste Mal mit Nine Inch Nails in Berührung gekommen?
Adam: Gute Frage - ich glaube, es war, als mein Freund mir "Mr Self Destruct" vorspielte und der Song mich umgehauen hat! Das Intro beeindruckte mich mit dem Beat-Sample von „THX1138“ und ich konnte es nicht fassen, eine Platte mit so einem seltsamen "Sound" zu beginnen. Es war rhythmisch, formte sich zu Musik, aber war dennoch etwas "anderes" - ich glaube, diese Erfahrung hat meine Vorstellung davon, was Musik sein kann, verändert - auf eine gute Art und Weise!
Joe: Was ist dein Lieblingssong von Nine Inch Nails (gesamte Diskographie)?
Adam: Ich würde sagen "Ruiner" wegen seiner wilden Loops und Samples; Reznor sagte, es seien zwei unkommerzielle Songs, die zusammengefügt wurden, um ein Frankenstein-Monster von einem Track zu machen! Die beiden Hälften funktionierten alleine nicht, also gab er ihnen ein zweites (Nach-)Leben und das ergibt einen wirklich seltsamen, melodischen, wütenden Song. Es ist der letzte große Rocker-Song, bevor das Album eine wirklich düstere Wendung nimmt...
Joe: Was hat dich dazu inspiriert, über „The Downward Spiral“ zu schreiben?
Adam: Ich wollte ein Buch über ein kulturell wirklich bedeutendes alternatives Album aus den 1990er Jahren schreiben, das für viele Leute meiner Generation und darüber hinaus eine wirklich prägende Erfahrung war. „The Donward Spiral“ ist vielleicht das definitive Nine-Inch-Nails-Album, aber Trent und seine Mitstreiter haben seitdem so interessante Musik gemacht, dass man merkt, dass die Platte nur ein Schritt in einer kontinuierlichen künstlerischen Entwicklung war. Es bedeutet den Menschen auf einer zutiefst menschlichen Ebene so viel und es ist eine Platte des Kampfes und der Selbstreflexion, und schließlich, denke ich, auch der Vergebung. Es wird viele Alben aus dieser Zeit überdauern.
Joe: Würdest du Trent Reznor gerne einmal persönlich treffen (manche Leute haben Angst, ihre Idole zu treffen, weil man sich dann von ihnen abwenden könnte) und wenn ja, was würdest du ihn fragen?
Adam: Ich habe einige Anläufe unternommen, um mit Reznor in Kontakt zu kommen, aber ich glaube, er hasst es, rückwärtsgewandte Interviews zu geben, abgesehen von der Netflix-Song-Exploder-Sache, weil es sich für ihn künstlerisch nicht lohnt, die Vergangenheit immer wieder aufzuwärmen und zu erklären, wenn er sich so sehr auf die Zukunft konzentriert. Ihn nicht zu treffen war in vielerlei Hinsicht vorteilhaft, denn es gab mir eine Menge Objektivität in dem, was ich schrieb. Ich kann meine eigenen Wahrnehmungen darlegen. Wenn sie für andere Leute passen, ist das großartig.
Joe: Aber würdest Du ihn trotzdem gerne treffen? Ich schreibe drei oder vier Mal im Jahr Mails an sein Management und jedes Mal hoffe ich, dass sie die ignorieren, was sie auch immer tun, weil ich Angst habe, dass ein Treffen mit ihm das Bild, das ich im Kopf von ihm habe, zerstören könnte. Ich kenne Leute, die ihre Idole getroffen haben und danach traurig waren, weil wir ein Bild oder eine Vorstellung in unserem Kopf haben, wie diese Person ist, aber letztlich ist er auch nur ein Mensch. Trotzdem hoffe ich, ihn eines Tages zu treffen. Würdest du das auch, oder ist dieses Kapitel für immer abgeschlossen?
Adam: Eine interessante Frage. Ich glaube, wir alle würden unsere Helden gerne treffen, aber wir haben natürlich Angst, enttäuscht zu werden. Ich habe in „Into The Never“ ein wenig darüber geschrieben - wie sollen sie unseren persönlichen (über-)menschlichen Erwartungen gerecht werden! Ganz zu schweigen davon, wie/wann/was wir wollen, dass sie aufnehmen? Die Fans investieren so viel in die Persona von Leuten wie Reznor, dass es eine seltsame Art von Abhängigkeit gibt, die zu Co-Abhängigkeit führt. Ich würde ihn gerne treffen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm Spaß machen würde, und ich habe absolut keine Ahnung, was ich auf einer echten, normalen, menschlichen Ebene sagen würde. Ich denke, es wäre alles Arbeit. Dann müsste ich mich nicht blamieren oder die Dinge zu peinlich werden lassen. Und selbst dann, was kann er einem schon sagen außer dem, was er als Musiker macht? Das steht doch alles auf den Platten!
Joe: Jetzt, wo "Into The Never" schon eine Weile auf dem Markt ist - was würdest du anders angehen, jetzt, wo du Zeit hattest, darüber nachzudenken?
Adam: Gute Frage - ich wünschte, ich hätte etwas anders geschrieben und selbst mehr überarbeitet! Vielleicht bin ich manchmal zu poetisch geworden, zu viele Schnörkel im Text, was dekadent und klischeehaft ist. Ich wäre also härter zu mir selbst als innerer Redakteur und Kritiker.
Joe: Hast du eigentlich irgendein Feedback von der Band bekommen?
Adam: Ich habe mit einigen Mitgliedern wie Charlie Clouser und Sean Beavan, dem Techniker von „The Downward Spiral“, gesprochen und sie waren sehr hilfsbereit - aber ich habe keine Ahnung, ob Trent oder jemand anderes es gelesen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, über sich selbst zu lesen, vor allem, wenn ich Dinge falsch gemacht habe! Aber ich bin sicher, die Fans werden es mir schon sagen.
Joe: (Wann) Werden wir ein Buch über „The Fragile“ bekommen?
Adam: Verleger - mein Mailpostfach ist OFFEN! Ich würde es gerne machen, es ist eine ganz andere Art von Buch als „The Downward Spiral“, also eine neue Art von Herausforderung! Aber ich möchte auch, dass jemand anderes, jemand Neues es macht und eine neue Perspektive einbringt! In vielerlei Hinsicht ist „The Downard Spiral“ interessanter, aber es ist wirklich interessant, dass „The Fragile“ der absolute Fan-Favorit ist. Ich habe noch nie einen Nine-Inch-Nails-Fan getroffen, der es nicht mag! Vielleicht sollte ich es im Selbstverlag herausbringen...
Joe: Habt du jemals darüber nachgedacht, eine Spendenaktion zu starten? Ich meine, wir haben Alben, Videospiele und Filme, die auf Kickstarter gestartet sind, und auch wenn die NIN-Fanszene manchmal furchtbar sein kann, denke ich, dass es eine Menge Leute geben würde, die bereit wären, Geld zu geben, um ein Buch wie "Into the Never" über „The Fragile“ zu bekommen. Und wärst du damit einverstanden, Teil eines Teams zu sein, das darüber schreibt? So hätten wir dein Wissen über Nine-Inch-Nails-Alben und deine Quellen, aber auch die frische Perspektive, die du dir wünschst.
Adam: Nun, man soll nie nie sagen - ich wäre offen dafür, wenn genügend Leute auftauchen und danach fragen würden. Ich bin sicher, dass es da draußen eine große Leserschaft für ein Buch über „The Fragile“ gibt - ich bin so etwas wie ein Auteur [Begriff aus dem Autorenkino, in diesem Falle Kontrollfreak], da ich versuche, für jedes Buch eine eigene Vision zu haben. Ich bin nicht sicher, ob ich jemals etwas mitschreiben könnte! Ich wäre bereit, ein weiteres NIN-Buch zu schreiben. Verleger, meldet euch bei mir!
Joe: Über welches Album würdest du gerne schreiben (Nine Inch Nails oder nicht)?
Adam: Ich liebe liebe liebe liebe John Frusciante's "To Record Only Water For Ten Days" - es ist in meiner Top Ten der Alben aller Zeiten. Es ist elektronischer Lo-Fi-Folk mit vielen Synthesizern und Drum-Machines, die Frusciante bei Red Hot Chili Peppers nie richtig zur Geltung bringt. Es ist einfacher, die Chilis kritisch anzugreifen, weil sie so populär sind wie U2, aber sie haben einige großartige populäre Songs gemacht, und Frusciante ist das geniale künstlerische Herz, das hinter all dem steht, seine Soloarbeit ist sehr wechselhaft, aber ich liebe sie!
Joe: Woran arbeitest du im Moment? Was können die Leser also erwarten?
Adam: Ich arbeite an ein paar neuen Projekten, eines über die Musik von Nick Cave - da gibt es so viel Faszinierendes zu erforschen; er ist ein Intellektueller mit viel Seele (und Angst) und eines über ein Bowie-Album, einer meiner Lieblingsplatten überhaupt!
Joe: Was ist deine Leidenschaft neben Nine Inch Nails?
Adam: Schwimmen - im Meer oder in einem Becken. Und mit meiner Tochter abhängen, weil wir beide zusammen alles über die Welt (neu) lernen.
Joe: Inwiefern neu lernen? Wegen der Pandemie oder gab es einen Vorfall?
Adam: Ich wollte damit nur sagen, dass man mit einem Kind die Welt ganz neu sieht, dass man neu lernt, wie man lebt, was einem wichtig ist, und dass man dadurch aufwacht und die Dinge noch mehr zu schätzen lernt. Ich glaube, dass man dabei die Erinnerung an die eigene Kindheit wieder aufleben lässt. Entschuldige, wenn das alles ein bisschen albern klingt, aber es ist trippy, kosmisch und fantastisch.
Joe: Ich finde nicht, dass es albern klingt, sondern eigentlich wirklich schön. Danke für deine Zeit und ich würde das Buch über "The Fragile" wirklich gerne lesen!
Abschließend kann ich nur noch einmal empfehlen das Buch zu lesen und in eine Welt einzutauchen, die oftmals verschlossen bleibt - der Blick hinter die Kulissen eines Albums.
Vielen Dank an Adam Steiner für seine Zeit und seine Offenheit.