Im Kreuzverhör

Im Kreuzverhör #40: Low Roar - "0"

Einmal monatlich stellt sich die Redaktion gemeinsam Platten außerhalb ihrer Komfortzone. Dieses Mal wirft Dave "0" von Low Roar in den Ring.

Auf das Musikprojekt Low Roar des isländischen Künstlers Ryan Karaija bin ich das erste Mal durch den Reveal Trailer von Hideo Kojimas aktuellem Spiel „Death Stranding“ aufmerksam geworden. Dieser wurde perfekt unterstrichen vom Song „I‘ll Keep Coming“, welches meiner Meinung nach auch der einprägendste und beschreibenste Song des Albums ist. Generell fühlt sich der einstündige Trip durch die Gedankenerzeugnisse Karaijas eher nach einer Reise durch verschiedene Welten an, als nach einem Album, welches Anfang und Ende hat. Es wirkt sowohl im Ganzen als auch in Bruchstücken so, dass die Erfahrung erlebt werden muss, da sie kaum in Worte zu fassen ist. Mal sehr erdrückend, dann wieder sehr pompös oder auch sehr minimalistisch. Dazu strotzen die einzelnen Stücke nur so vor Gefühlslagen und versteckten Elementen, welche erst bei mehrmaligem Hören zum Vorschein kommen. Eine sehr eindrückliche und einzigartige Erfahrung hatte ich mit dem Song „Easy Way Out“. Dieser Track und die Theremin-Einwürfe lösten einige Male ein gewisses Unbehagen in mir aus, welches vor allem bei nächtlichen Spaziergängen zu erdrückenden Momenten führte. Diese fast geisterähnlichen Geräusche sind ein Einschlag, welchen ich weder erwartet noch oft gehört habe und bei mir so etwas wie leichten Verfolgungswahn triggern. Solche Momente schafft das Album am laufenden Band. Joe hat zum Album noch einen YouTube-Kommentar eingefügt, in dem ich mich durchaus auf mehreren Ebenen wiederfinde. Den findet ihr weiter unten!

 

Ich schreibe seit 4,5 Jahren für AdW und habe ein paar Kreuzverhöre mitgemacht. Meist wurde ich gequält. Dave versprach, dass es „ganz fantastisch“ würde. Er hat tatsächlich nicht gelogen! Ich weiß nicht, wie ich "0" einordnen soll, aber das macht es auch sehr reizvoll. Am ehesten ist es ein bisschen post-rockig wie Sigur Rós, nur mit englischen Texten, doch zwischendurch gibt es dann plötzlich tiefe synthetische Bässe und unzählige Effekte auf der Stimme. Es fordert, aber überfordert nicht. Immer wieder gibt es kleine Details und Momente, die beim ersten Hören vielleicht gar nicht auffielen. Inhaltlich lässt es sich schwer in Worte fassen, aber ein Mensch bei YouTube hat es recht treffend geschafft und das will ich nicht für mich behalten. Denn nach dem Lesen des Kommentars, war das Hörerlebnis für mich noch intensiver. Ich mag melancholische Musik ja sowieso und das war auf "0" definitiv zu finden, doch es war selten wirklich düster. Es war nachdenklich, bittersüß und doch stets ein wenig hoffnungsvoll. Das Album war ein Klangerlebnis und ein Konzeptalbum, wie ich es (leider) lange nicht mehr gehört habe. Es ist wirklich "ganz fantastisch".

Hier ist der YouTube-Kommentar. Ich empfehle diesen erst nach dem ersten Hören zu lesen um völlig offen in das Album zu gehen.

YouTubekommentar

Wahnsinn, wie sich dieses Format entwickelt hat. Ehemals eine Arena der (teilweise durchaus verdienten) verbalen Steinigung abgründiger Geschmacksverirrungen, bekommt man hier mittlerweile oft richtig gutes Zeug aufgetischt. “Low Roar” war bisher nur durch die Zusammenarbeit mit Videospiel-Koryphäe Hideo Kojima auf meinem Radar aufgetaucht. Umso besser, dass ich mal die Motivation habe, mir die ganze Platte anzuhören. Neben Kojimas Spiel “Death Stranding” war meine erste Assoziation mit “0” der amerikanische Musiker Bon Iver. Die reduzierte Ambient-Ästhetik, die angefolkten Gitarren und diese quirky Stimme erinnerten stark an Platten wie “Holocene”. “0” schafft es über seine 68 (!) Minuten Laufzeit allerdings nie so ganz, eine derart erdrückende Atmosphäre zu schaffen, wie das zum Beispiel “22, A Million” tut. Nichts desto trotz ist es nur allzu einfach, sich den wohligen Klängen, die der Wahl-Isländer Low Roar auf diesem Album zusammenschustert, hinzugeben. Zugegeben, “0” wird wahrscheinlich nicht in meiner Dauerrotation landen, aber das Reinhören ist es auf jeden Fall wert, vor allem als Score zu besagtem Videospiel.