Kolumne

Die 10er-Jahre und ihre Musik: Eine Review (Teil 2)

Das Jahrzehnt neigt sich dem Ende entgegen. Zeit, mal einen Schritt zurückzugehen und die Musik der 10er-Jahre Revue passieren zu lassen. Was bleibt hängen? Und wie wird man sich an die Musik dieser Dekade zurückerinnern? Ein Blick auf Rock, Pop und HipHop.
10er Jahre Folge 2

Harte Zeiten für Candy-Pop

Durch die 2010er-Jahre geht ein Bruch. Es muss wohl so um das Jahr 2016 gewesen sein, als man begann, ihn zu spüren. Auf einmal hatten die USA einen rassistischen Clown zum Präsidenten gewählt, Nazis feierten ihr Comeback in den Parlamenten, die Zahl der bewaffneten Konflikte stieg auf den höchsten Wert seit 30 Jahren, Mass Shootings wurden zum Alltag, ebenso wie Klimakatastrophen, Brexit, Bürgerkrieg in Syrien, Bürgerkrieg im Jemen, Flüchtlinge vor Mauern, Flüchtlinge in Käfigen, Flüchtlinge ersoffen im Mittelmeer ­– kurz: keine gute Zeiten für Optimisten.

Dieser Stimmungswechsel machte sich auch in der Popmusik bemerkbar. Das wohl markanteste Beispiel: Einer der größten Songs von 2014 hieß wortwörtlich „Happy“ (Pharell Williams) und einer der größten Songs von 2018 „SAD!“ (XXXTENTACION). Letzterer Interpret wurde dann auch noch wenig später in seinem Auto erschossen, nachdem er zuvor unter den Verdacht geraten war, seine schwangere Freundin geschlagen zu haben. Na großartig.

Mitte des Jahrzehnts war es also endgültig vorbei mit der EDM-Beachparty genannt „die 2000er“ und ein grauer Schleier der Introspektion legte sich über die Musiklandschaft wie die Opioid-Krise über Amerika. Von da an wurde es düster. Künstler wie The Weekend und Drake übernahmen die Pop-Welt mit unterkühltem R’n‘B, beide sprachen mit ihrer oft besungenen Beziehungsunfähigkeit einer ganzen Generation von Millenials aus der Seele. Zugleich veränderte sich das Bild des Popstars dramatisch. Ehemalige Randgestalten wie Post Malone wurden plötzlich zu Megastars, nur um mit Hits wie „Rockstar“ nicht etwa eine triumphale Partyhymne, sondern ein erschreckendes Eingeständnis von innerer Leere abzuliefern. „Rich & Sad“ lautete der neue Status Quo sowie das Lebensmotto einer jungen Generation von Rappern, die Themen wie Depression und Suizid aus der Tabu-Ecke holten – und sich anschließend mit rauen Mengen an Lean und Schmerzmitteln wegballerten, um auch ja nichts davon zu spüren. Ihre Heimat fanden diese Emo-Rapper im ebenfalls noch jungen Genre des Cloud-Rap.

Und auch den „etablierten“ Popstars – also denen abseits der neuen Popmusik HipHop – verging während der 10er-Jahre weitgehend die Feierstimmung. Hatten sich in den Charts der Jahre 2010/2011 noch letzte Überlebende des Pitbull-Partyboots ins nächste Jahrzehnt gerettet, wurde spätestens mit dem Durchbruch von KünstlerInnen wie Adele und Ed Sheeran klar, dass sich der Ton ändern würde. Als hätte jemand am Dimmer gedreht, wichen die stampfenden EDM-Bässe nach und nach zugunsten von unverfänglichen Akustik-Balladen und einer entsättigten Art des Tropical-House. Ganz zu schweigen vom minimalistisch-schwermütigen Sound einer Lana del Rey oder Billie Eilish. Künsterinnen, die wie die personifizierte Antithese zum Pailletten-behangenen Plastik-Pop-Star vergangener Tage wirkten und wirken. Die zweite Hälfte der 10er-Jahre – sie hatte einen cleanen Schwarzweiß-Look und ein paar ernsthafte mentale Probleme.