Nicht, dass Tua damals keine Stoff für formidablen Straßenrap gehabt hätte, im Gegenteil. „Grau“ allerdings zeichnete ein zutiefst persönliches Bild von Depression, Exzess und Selbstzweifel; musikalisch umrahmt von einer ebenso ungewohnten Kombinationen aus düsteren Beats, Pop-Allüren und Drum'n'Bass-Zitaten. Tua bewies als Einer der Ersten, dass gefühlvoller Rap auf Deutsch weder kitschig noch peinlich sein muss und öffnete damit indirekt auch Genre-Grenzgängern wie Casper die Türen, der „Grau“ via Twitter jüngst zum besten Deutschrap-Album aller Zeiten gekürt hatte. Im Gegensatz zu dem Bielefelder blieb Tua aber immer ein Phänomen der HipHop-Szene, auch wenn sich seine Musik mit den Jahren immer weiter davon entfernte. Allein als Produzent und Rapper der Spaßkombo Die Orsons gelangte er zu einer gewissen Bekanntheit, sein solistisches Schaffen blieb aber immer unter dem Radar eines größeren Publikums.
Nun erscheint mit dem selbstbetitelten Album nach zehn Jahren (!) der lang erwartete Nachfolger zu „Grau“. Der Titel hätte an dieser Stelle nicht besser gewählt werden können, denn „Tua“ bildet tatsächlich einen vollständigen musikalischen Abzug des Künstlers und seines Schaffens. Interessant aber ist, wie jener diesen auch in einen einzigen Track zu integrieren weiß. „Vorstadt“ heißt dieser Opener, der äußerlich eine klassische Origin-Story erzählt, wie man sie bei vielen Rappern findet – Hochhaus-Romantik, harte Jugend, man kennt‘s. Bei genauerer Betrachtung aber zerfällt der Track fast unmerklich in drei unterschiedliche Abschnitte, die je eine von Tuas musikalischen Phasen repräsentieren; beginnend bei seinen BoomBap-Anfängen über Dipset bis.... Ja, bis wohin eigentlich?
Der aktuelle Sound hat sich vollends von jeglichen Restriktionen losgerissen. Keine Zusammenstellung „gepickter“ Beats, sondern ein selbstproduziertes und zutiefst individuelles Stil-Multiversum, dass sich über sämtliche Genres erspannt. Mit „Wem mach ich was vor“ oder „Dana“ gibt es sogar ein paar dezidierte Pop-Songs, die zunächst auch die übliche (und durch jahrelange Giesinger-Beschallung antrainierte) Abwehrreaktion hervorrufen: Der Puls steigt, die Halsschlagader tritt hervor und der Zeigefinger levitiert über dem Skip-Button wie ein Damoklesschwert. Aber irgendetwas ist anders. Es gibt ihn nämlich doch: guten Pop, eingängigen Pop, nicht leblosen Pop.