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Danny Brown und "Quaranta": Leben und Leiden eines Hip-Hop-Künstlers

Nach über zehn Jahren veröffentlicht Danny Brown mit dem Album „Quaranta“ einen nahtlosen Nachfolger seiner Platte „XXX“. Der ungewöhnliche Hip-Hop des US-amerikanischen Künstlers wird kombiniert mit Texten, die Inneres nach außen kehren, ehrlich sind und mitfühlen lassen.

Hip-Hop ist mit Sicherheit nicht das favorisierte Genre eines jeden Menschen. Dennoch sollte mensch immer bereit sein, den eigenen musikalischen Horizont zu erweitern. Und bereits nach der ersten Dauerrotation wird deutlich, dass der Detroiter Danny Brown mit „Quaranta" ein Werk geschaffen hat, welches mehr als nur typische Hip-Hop-Songs liefert.

Wie so oft liegen nämlich die Stärken eines Albums, egal welchen Genres, im Detail und kommen erst nach intensiver Auseinandersetzung mit Liner Notes und Songtexten ans Licht.

Ungewöhnlich: Danny Browns neue Platte knüpft thematisch und musikalisch mit unmittelbarer Direktheit an ein Album an, dass er vor über zehn Jahren gemacht hat. Das Album „XXX“ ist in vielen Songs präsent, denn Danny Brown rekapituliert die vergangenen zehn Jahre, in denen er sich unter anderem mit "Atrocity Exhibition" zu einem der profiliertesten US-Rapper der Gegenwart gemausert hat. Dazu nutzt er Songtitel, Textauszüge und Samples der referenzierten Platte. Die Befürchtung, dass sich das Album dadurch nur wiederholt, nicht innovativ ist oder Danny Brown sich als Künstler nicht weiterentwickelt hat, bestätigt sich nicht. Es scheint, als sei „Quaranta“ die logische Fortsetzung der biografischen Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem Leben und mit seinem ICH. Nicht zufällig war der ursprüngliche Albumtitel „XXXX“.

Und so werden die Lyrics des 42-Jährigen persönlich, nahezu intim wie in „Don’t Wit It“ oder auch „Hanami“. Gerade letztgenannter Titel zeigt einen zerbrechlichen Menschen, der in den Unsicherheiten und Ungewissheiten seines Lebens als Hip-Hop-Künstler zu ertrinken droht. Aber auch Erinnerungen an die Mutter („Bass Jam“), die ihn musikalisch geprägt hat, und seine Kindheit („Y.B.P.“), welche er mit Bruiser Wolff wieder aufleben lässt, zeugen von der starken biografischen Präsenz in den Tracks. Mit Sicherheit hat auch der Entzug Danny Browns dazu beigetragen, sich reflektierter und bewusster mit seiner Lebensgeschichte auseinander zu setzen. Auch Gesellschaftskritik übt der Künstler, wenn er in „Jenn’s Terrefic Vacation“ die Gentrifizierung seiner Heimatstadt Detroit anprangert oder in „Ain’t My Concern“ die jedem Trend nachjagende aktuelle Rapper- und Hip-Hop-Szene kritisiert.

So bedeutungsvoll wie die Lyrics ist auch der Sound. Er verflechtet synthetische Klänge mit unterschiedlichen Beats, die aber nicht ausschließlich Härte zeigen, sondern sich den Stimmungen der Texte anpassen. Selten wurden Hip-Hop-Songs von so weichen Klangteppichen getragen, wie sie Danny Brown erzeugt.

Zum biografischen Ansatz des Albums gehören auch alte Weggefährten wie Quelle Chris, Chris Key oder Kracq, die ihn der Produktion erneut unterstützten, aber auch Samples und Loops beisteuerten.

Am Ende steht die Überraschung gerade für Außenstehende und für Unwissende in Bezug auf Hip-Hop, dass auch in diesem Genre offene und tiefgründige Alben produziert werden, die mit Lyrics überraschen und Klänge verweben, deren Beats den Kopf federleicht mitschwingen lassen.

Fazit

7.1
Wertung

Ich bin Hip-Hop immer skeptisch gegenübergetreten, aber wie viele Genres, die außerhalb meiner musikalischen Blase liegen, wird meine Begeisterung häufig durch die intensivere Auseinandersetzung entfacht. Das Album „Quaranta“ bot nach jedem Hören neue Facetten an, sei es auf lyrischer Ebene oder im Arrangement des Sounds. Gerade Lyrics sind für mich beim Hören immens wichtig. Danny Brown offenbart sich schonungslos in seinen Lyrics, lässt teilhaben an seiner Biografie und unterstreicht durch mal leichte, mal fordernde Klänge, Loops, Samples und Beats  seine Raps. Und so habe ich mit Danny Browns Songs meinen musikalischen Horizont erweitern dürfen.

Frank Diedrichs