Sondaschule und die „Schere, Stein, Papier“-Akustikbox: Gelungene Neuerfindung

Sondaschule veröffentlichen nach über 15 Jahren Bandgeschichte ein Akustikalbum in einer Sammelbox. Bisher sind die akustischen Klänge doch eher ungewöhnlich für die Ruhrpottler. Berechtigterweise stellt sich daher die Frage: Lohnt sich das oder ist es nur Geldmacherei?
Sondaschule Schere Stein Papier Akustik Cover

Wenn man die Box vor sich liegen hat, ist es eine Standardbox im recht schönem Design. Inhaltlich sind es eher Standardgoodies, die man heutzutage in jeder Specialedition erhält: CD, DVD, Shirt, handsignierte Autogrammkarte, Sticker und Poster. Allerdings haben sich Sondaschule mit dem Poster etwas Schönes einfallen lassen. Diejenigen, die sich in Essen beim Akustikkonzert fotografieren ließen, werden sich auf dem Poster wiederfinden.

In der Box geht es aber weniger um die Goodies. Im Mittelpunkt stehen eher die CD und die DVD. 
Schon auf der Trackliste der CD sieht man, dass Sondaschule ihr aktuelles Album „Schere, Stein, Papier“ im akustischen Gewand präsentieren. Dazu gibt es noch drei bisher unveröffentlichte Bonustracks.

Textlich wird hier dem Hörer nichts Neues geboten. Doch musikalisch haben sich die Jungs einige Gedanken gemacht. So ein Akustikalbum in einer Box lässt vermuten, dass die Lieder einfach akustisch auf die Platte gepackt wurden, so wie es leider bei einigen anderen Bands der Fall ist. Doch damit weit gefehlt. Sondaschule arrangieren den Großteil ihrer Lieder nicht nur um, sie packen auch noch ein paar Instrumente dazu. Besonders positiv überrascht hat mich die neue Version von „Zu kurz um lang zu denken“. Im Original ist der Song langsam gehalten und besinnlich. Auf der Akustikplatte bekommt das Ganze einiges an Pepp. Meiner Meinung nach wird der Song, welcher schon ein klarer Favorit auf der „Schere, Stein, Papier“ war, um einiges aufgewertet. Im Gegensatz dazu steht zum Beispiel „Palermo“. Deutlich ruhiger lädt dieses Lied nun anstatt zum moshen zum mitswingen ein. Doch auch die anderen Lieder sind in akustischer Form durchaus gelungen. Lieder wie „mein Herz“, „goldene Tapete“, „Schere, Stein, Papier“ und „Ostberlin“ profitieren von den ruhigen Arrangements und kommen dadurch besser zur Geltung.

Erfrischender wirkt „Mond“, welches in einem leichten spanischen Gewand daherkommt und zum Tanzen einlädt. Aus „Arschlochmensch“ hat die Sondaschule eine Art „Dixieland“-Version gebastelt. Leider hat es „Du und ich“ nicht auf die Akustikplatte geschafft. Als kleines Trostpflaster gibt es jedoch drei bisher nicht veröffentlichte Bonustracks, bei denen man kaum meckern kann. „RIPAudio“ wurde schon beim Akustikkonzert in Essen von mir ins Herz geschlossen. Ein Lied über die Musik - vielmehr über den Verfall von CDs und speziell Vinyl. Aber auch ein Lied über das Sterben der Musik, das Vergessen von ehemaligen Idolen und der Kurzlebigkeit der Szene. „Summe deiner Teile“ pfeffert mit einem Mix aus schöner akustischer Latinomusik und bretternden Trommeln einfach so aus den Boxen. „Menschenleben, Tanzen, Oi“ hingegen überzeugt mich nicht ganz. Musikalisch lehnt es, wie es der Titel vermuten lässt, an Böhmermanns „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ an. Textlich findet man hier gewohnte Sondaschule-Ironie. Dennoch hat man das Gefühl, dass irgendetwas fehlt. Ohrwurmcharakter hat das Lied allemal schon durch den Pfeifpart. Alles in allem bekommt man mit der CD eine sehr schöne Scheibe, die die altbekannten Lieder im neuen Gewand darstellt. Dabei merkt man deutlich, dass sich Sondaschule einige Gedanken bei den Arrangements gemacht hat.
 

Herzstück der Box ist eindeutig die DVD. Zugegeben bin ich etwas skeptisch an die Aufzeichnung gegangen, war doch die letzte DVD-Beilage zum 15-jährigen Jubiläum eine große Enttäuschung. Schlecht geschnitten, nur eine Handvoll Lieder des Abends und teilweise schlechte Bildqualität sorgten dafür, dass diese schnell wieder in die Box verstaut wurde. Ein Blick auf die Tracks verrät, dass es sich dieses Mal um die volle Aufzeichnung des Abends handelt. Da ich selbst bei dem Konzert anwesend war, konnte ich es kaum erwarten, wie es in Bild und Ton gefasst wurde. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.

Zu Beginn der Aufzeichnung erklingt das Intro und man sieht eine Aufnahme vom Publikum, wie es seine Plätze einnimmt. Ein Schnitt und nun ist eine Kamera auf die Bühne gerichtet. Der Vorhang öffnet sich und Sondaschule beginnen mit „Waffenschein bei Aldi“. Wie damals in Essen hört man das Publikum den Refrain schon lauthals mitsingen – definitiv ein guter Opener. Nach circa 10 Minuten Konzert öffnet sich ein weiterer Vorhang hinter der Band. Das schon originelle Bühnenbild aus Fernsehern, Kontrabass und (noch) sitzenden Musikern, wird um ein kleines, aber feines Ensemble an Streichern und einem Pianisten erweitert.

Sondaschule beginnen ihr Set zunächst mit sehr ruhigen Liedern, dennoch erhebt sich schon ein Teil des Publikums, um zu den Liedern zu tanzen. Die Gesamtstimmung wird bei der Aufzeichnung gut wiedergegeben. Publikumschöre sind oft lautstark zu hören. „RIPAudio“ wird gleich als eines der ersten Liedern zum Besten gegeben. Obwohl noch unbekannt, ist der Song gut bei dem Publikum angekommen. Etwa eine halbe Stunde später spielt die Band eine ungewöhnliche Version und vor allem ruhige Version von „Schöne neue Welt“. Der komplette Saal steht am Ende des Liedes. Zeit um aus dem Akustikkonzert, ein Abrisskonzert zu machen. Bis zu dem Zeitpunkt weiß man noch nicht, was das bedeuten sollte. Sondaschule eröffnen den Pit mit „Pommesbude“. Es hält einige nicht mehr auf ihren Plätzen. Vor der Bühne wird von jetzt an gesungen, gefeiert, getanzt und ja… auch gesurft. Ein paar Lieder später endet der erste Teil des Konzertes. Nicht aber bevor es eine weitere Überraschung des Abends gibt. Ein Kinderchor wird auf die Bühne gebeten, um „Schön kaputt“ mit der Band zu singen. Nach dem Lied schließt sich der Vorhang und das Publikum wurde in die Pause entlassen.

Auf dem uns zur Verfügung gestellten Promovideo hat man leider eine kurze Zeit keinen Ton zu Beginn des zweiten Teils. Ebenfalls unkenntlich ist das neue Lied „Die Summe deiner Teile“. Da es in diesem Fall durchaus gewollt wirkt und nicht wie ein Aufnahmefehler, gehe ich davon aus, dass es auf der finalen DVD-Fassung kein Tonproblem gibt.

Im Zweiten Teil bekommt der Zuschauer neben dem zweiten bisher unveröffentlichten Lied eine gut ausgesuchte Liederauswahl geboten. Neben Klassikern wie „Dumm aber Glücklich“ gibt es weiterhin eine Mischung aus neu arrangierten und alt bewerten Hits. Höhepunkt war für mich das Medley aus 15 Jahre Sondaschule. Wobei es eher „alte Kamellen“ waren, die heutzutage eher selten gespielt werden. Schade, diese alten Sondaschulelieder machen nach wie vor tierisch Laune. Der wortwörtliche Abriss endet mit „Bist du glücklich“. Die Lichtburg in Essen wurde am Aufzeichnungstag wahrhaftig zerlegt. Sieben Stühle wurden im wilden Getanze während des Konzertes zerstört. Trotzdem war es ein sehr schöner und schwitziger Abend.

Zusammengefasst ist die DVD eine sehr schöne Aufzeichnung geworden. Empfehlenswert ist sie nicht nur für die damaligen Gäste, sondern auch für andere Fans der Sondaschule (oder die, die es werden wollen). Die Bildqualität ist zum größten Teil gut. Leider gibt es ab und an kleine Blaustiche, die diese ein wenig abwertet. Sieht man von dem vermeintlichen Tonpatzer ab, wurde Band und Publikum soundtechnisch sehr gut eingefangen. Bei den Schnitten gab es bei dieser DVD nichts zu bemängeln. Alles in allem ein schönes Zeitwerk, bei dem man sieht, dass die Sondaschule sich vor dem Konzert einige Gedanken um neue Arrangements gemacht haben. 25 Lieder, gemischt aus alt und neu – teils neu interpretiert, teils einfach ohne E-Gitarren gespielt – gibt es hier alles was das Fanherz begehrt und höherschlagen lässt.

Fazit

8
Wertung

Sondaschule bringen mit der Akustikbox zu „Schere, Stein, Papier“ eine sehr schöne Neuinterpretation von altbekannten Werken. Weder die Lieder auf der CD noch auf der DVD sind lieblos arrangiert und wirken teilweise erfrischender als die Originalversionen. Klare Kaufempfehlung nicht nur für Fans der Sondaschule.

Torsten Scholz