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Say Anything und „Oliver Appropriate“: Ein Ende

Es wird wohl das letzte Album der Bandgeschichte sein und dafür haben die Herren um Frontmann Max Bemis nochmal alles rausgeholt, was in ihnen gesteckt hat. Besonders Bemis musste auf „Olliver Appropriate“ einiges loswerden.

Es ist sehr schwer, bei einer solchen Platte über das Musikalische zu sprechen. Wie oft bekommt man schon ein Album zu Gesicht, das über einen Song hinaus etwas zu erzählen weiß? Und wenn es das tut, schafft es auch den richtigen musikalischen Rahmen? Das ist ein vermintes Gebiet, dem die wenigsten gewachsen sind.

Doch wer, wenn nicht Max Bemis! Und der Mann hat einiges zu erzählen. „Oliver Appropriate“ ist die Geschichte vom ziemlich abgestürzten Punkmusiker Oliver. 14 Songs, 34 Minuten, eine durchaus sportliche Zeit. Zunächst startet die Platte auch eher unspektakulär, erstaunlich ruhig und langsam, besonders „The Band Fuel“ als Opener. Das ist Power Pop, wie ihn zuletzt eigentlich nur die Herren von Vizediktator gespielt haben, nur sind Say Anything nichtanz so rau.

Doch die Musik ist tatsächlich ziemlich zweitrangig. Denn diese Geschichte ist buch- beziehungsweise filmreif. Es werden signifikante 48 Stunden aus Olivers Leben erzählt, aus der Sicht seines On/Off Lovers Karl. Es sind eigentlich erwartbare Geschichten aus dem Leben eines Rockstars. Lange Partynächte, noch längere Katertage, Frauen und auch Männer, so wie die sexuellen Abenteuer zwischen Karl und Oliver, die aber lediglich als Folge des exzessiven Lebensstils von Oliver abgestempelt werden. Das wird im ironischen „Ew Jersey“ und im ernsteren „When I’m Acid“ erzählt. Und wer sich etwas mit der Vita von Max Bemis beschäftigt, wird die Parallelen zwischen der Geschichte des Albums und der seines Outings zur Bisexualität erkennen. Denn auch Oliver traut sich nicht zu seinen Gefühlen und Neigungen zu stehen und lässt Karl zurück.

Der sich immer weiter andeutende Absturz von Oliver schreitet voran. Er verliert seinen Job und wird sich schließlich seinen Gefühlen für Karl bewusst, doch dieser hat bereits einen Anderen. Alles andere als gute Vorzeichen für ein Happy End, aber weiter wird nicht gespoilert.

Die Variation auf „Oliver Appropriate“ macht das Album ein wenig langwieriger als es tatsächlich ist, allerdings keinesfalls im negativen Sinne. 34 Minuten sind ja nicht wirklich lang für 14 Songs, doch durch die Abwechslung von den ruhigen Songs im Singer/Songwriter Stil, den Emo-Nummern mit viel Geschrei, bis hin zum Brit Pop in „It‘s A Process“ fühlt es sich nach deutlich mehr an. Mit „Oliver Appropriate“ haben Say Anything ein bravouröses Ende ihrer Bandkarriere gefunden. Ein musikgewordenes Hörbuch: Federführend, der große Maxi Adam Bemis. Die Musikwelt hat sich vor diesem Album zu verneigen.

Fazit

8.2
Wertung

Ich kann mir vorstellen, dass sich manch eine Universität dieses Album vornehmen wird, da es ein Paradestück eines hervorragend inszenierten Albums ist. Ich ziehe meinen Hut und beuge mein Knie, besonders vor dem Grande Finale, welches „The Sediment“ bildet. Danke für alles, Say Anything.

Moritz Zelkowicz