Reviews

Michael Dreilich x Calvin Stone und “Speaking Into Existence”: Internationaler Hip Hop

Musik kennt keine Grenzen. Nach diesem Motto haben der Münchener Schlagzeuger Michael Dreilich und der US-Amerikanische Rapper Calvin Stone eine EP geschrieben, ohne sich jemals in Person getroffen zu haben. Fette Beats, Starker Flow, wichtige Themen. Lets Go!

Eine sehr organische, schöne EP, so düster die Themen auch sein mögen. Den Anfang bildet ein Skit von Michael und Calvin, wie sie die ersten Schritte ihres Projekts planen. “We got some chemistry going” heißt es von dem US-Amerikaner im ersten Skit “Speaking Into Existence”. Diese Chemie wird auch schnell spürbar. Der erste Song “Pressure” startet mit einem Killerbeat, der Stones Flow perfekt untermalt und eröffnet so das internationale Musikprojekt. Gefolgt wird der Song von dem Track “Make It Move”. Etwas ruhiger als sein Vorgänger hat dieser Song eine leicht verträumte Hook, gesungen von Stone. Ein wahnsinnig guter Flow und eine tolle Songstruktur. Man stelle sich vor, des Nachts auf der Autobahn zu fahren und den Vibe dieses Songs über die Anlage laut aufzudrehen. Bass und Beat sind dafür zumindest mehr als geeignet. “Stay” ist ein nachdenklicher Song über Bleiben oder Gehen, über lebensverändernde Entscheidungen. Ob man in seinem Heimatdorf bleibt, ob es sich lohnt und etwas zu bieten hat, oder doch sein Glück versucht und einen Neuanfang wagt. Stones Dialog mit dem weiblichen Backgroundgesang im Refrain beschreibt den Zwiespalt sehr gut, auch wenn für den Protagonisten der Geschichte klar ist, nicht zu bleiben. 

 

Nach den ersten Songs kommt ein weiterer Skit mit Nachrichten der Musiker. Stone preist Dreilichs Können im Beats bauen und mit Michaels Antwort wird dadurch der darauffolgende Track “The Bells” anmoderiert. Mit der Opening-Line “The Devil is a President” wird ein klares Statement gegen Bidens Vorgänger Trump ausgesprochen, gegen White Supremacy und die Amtszeit des Republikaners. Der gesamte Text ist poetisch großartig geschrieben und beweist ein weiteres Mal, dass Hip-Hop aus einem Struggle und sozialer und politischer Ungerechtigkeit entstanden ist. Der Skit funktioniert als eine Art Interlude. Die Tonart bleibt gleich und sobald der aussagekräftige Gesang einsetzt und über den Beat singt, ist das zweite Kapitel der EP bereit gehört zu werden. Eine schöne, nachdenkliche Hook mit einer großen Ladung Kritik an dem Schaffen des orangenen Mannes. Spannend an dem Projekt ist auch der Blogeintrag auf der Seite des Munich Warehouse von Michael Dreilich. Die Entstehungsgeschichte ist dort hinterlegt und für die neu gewonnenen Fans einen Besuch wert. Dort kann man auch nachvollziehen, wie der erste Song der beiden Musiker entstanden ist. Mithilfe des Sängers und Gitarristen Mario Radetzky der gemeinsamen Band Blackout Problems betitelt Dreilich dieses Projekt als Trio und spricht seinen Dank gegenüber seinem Freund und Bandkollegen aus. 

“The Water” bildet die erste veröffentlichte Single der zwei Musiker. Entstanden in 2020 während der Black Lives Matter Proteste, ist der Polizistenmord an George Floyd ein erheblicher Auslöser. Herausfordernde Lines wie “Tell me how you feel when you shoot a kid in the face” oder “My Cousin was killed by the cops, that was 09, its 2020 now, they gave him 17 shots” regen zu mehr an als nur zum Nachdenken. Stones Lyrics sind so treffend was die US-Amerikanische politische Lage, aber auch die global-politische Lage angeht, dass dazu hier der Platz fehlt, um sie alle zu nennen. Deshalb die Aufforderung: Mehrmals reinhören! Ob man nun Amerikaner ist, das Leben dort kennt oder nur über Medienberichte erfährt, was in diesem Land vor sich geht; der Song “The Water” sollte bei jedem Menschen Anklang finden. 

 

 

Darüber hinaus ist besagter Song auch der Startschuss des Projekts und die Entdeckung der “Great Chemistry” wie im abschließenden Skit “Keep Working” von Calvin Stone gesagt wird. Wie großartig es doch ist zu sehen und zu hören, dass Musik keine Grenzen kennt und zusammen Musik gemacht werden kann, obwohl man sich noch nie in Person getroffen hat. 

 

Fazit

8
Wertung

Großartige Beats, großartige Texte und ein wahnsinnig guter Flow. Michael Dreilich und Calvin Stone sind definitiv zwei Musiker, die sich gefunden haben und man darf gespannt sein, was noch alles kommt. Es wäre eine Bereicherung für den Hip-Hop. Hoffentlich werden diese Lines die große Aufmerksamkeit in den USA, in Deutschland und weltweit bekommen, die sie verdienen. Hut ab!  

Jan-Severin Irsch