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Coping Mechanism und “Shiak Kasim”: Ein SEO-Albtraum

Die Newcomer-Band Coping Mechanism versucht mit ihrem Album-Debüt “Shiak Kasim” scheinbar so gut es geht nicht groß rauszukommen. Die Platte kann es nämlich in Sachen algorithmischer Unzugänglichkeit durchaus mit Bon Ivers “22, A Million” aufnehmen.

Die Zeiten der großen Plakat-Promo-Kampagnen sind weitestgehend vorbei. Wer seine Musik zuverlässig an die EndverbraucherInnen bringen möchte, ist auf das Wohlwollen der großen Suchmaschinen angewiesen. Das nennt sich dann SEO - “search engine optimization”. Man versucht, Song- und Albumtitel möglichst präsent für den Suchalgorithmus zu präsentieren. Dieses Konzept scheint Coping Mechanism völlig fern zu liegen. Nicht nur machen sie vertrackt-progressive Gitarrenmusik ohne Gesang, sie geben dem Ganzen dann auch noch so zugängliche Namen wie “Gerippen Gegœmmelt” oder gar “(❍ᴥ❍ʋ)”. Ganz ehrlich, so wird das nix mit dem Plattendeal…

Aber Spaß beiseite, denn die Musik der vier Jungs aus dem beschaulichen Rauderfehn sollte definitiv den Weg in die Gehörgänge der Leute finden. Ähnlich kreativ wie bei der Namensfindung geht es nämlich auch in den Kompositionen der Band zu. Jeder der sieben Tracks auf “Shiak Kasim” besitzt ein unverkennbares Eigenleben und doch fügen sich die Songs zumeist nahtlos zu einem Gesamtwerk zusammen. Neben Drums, so air-tight, man könnte sie als Raumkapseln zweitverwenden, und Bandwurmgitarrenarrangements, dass es einem schwindelt, streuen Coping Mechanism immer wieder auch ein paar eher ungewöhnliche Instrumentierungen ein. So finden sich an mehreren stellen Piano- oder Orgel-Elemente, die die ansonsten beinharten Prog-Gewitter um eine seichtere Seite bereichern. Zudem schafft das Quartett es immer wieder, mit unerwarteten Twists wie auf “Crusty Croc” oder “Ciorbâ De Burtã” der Hörerschaft ein amüsiertes Schmunzeln abzuluchsen.

Diese kleinen humorvollen Einwürfe lockern das Album nebst all den frickeligen Blastbeat-Orgien gelungen ab und schaffen gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal für Coping Mechanism. Das braucht es auch, denn wenn “Shiak Kasim” eins nicht tut, dann seine Idole verleugnen. So erwischt man sich doch so manches mal dabei, auf die einsetzenden Krächz-Gesänge eines The Hirsch Effekts zu warten, nur um dann festzustellen, dass hier weit und breit nirgendwo gesungen oder geschrien wird. Kurz um: Coping Mechanism liefern mit “Shiak Kasim” ein durchaus gelungenes Debütalbum, das musikalisch sowohl enorme Spielfertigkeit als auch ein sehr gutes Gespür für Dynamik und Timing zeigt. Allerdings versteckt sich die Platte an einigen Stellen zu sehr hinter den großen Vorbildern und geht nicht konsequent genug ihren eigenen Weg.

Fazit

7.3
Wertung

Coping Mechanism liefern ein starkes Debüt, das vor Angriffslust und Biss nur so strotzt. Die Verneigungen vor den Vorbildern sind ehrenwert, aber zuweilen so unverkennbar, dass man das ein klares Alleinstellungsmerkmal vermisst.

Kai Weingärtner