Empire State Bastard im Uebel und Gefährlich in Hamburg: Wummern im Bunker

Simon Neil und Mike Vennart gehen mit ihrem Herzensprojekt Empire State Bastard auf Europatour, und als Resident Biffy-Clyro-Fanboy und genereller Krach-Freund habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, beim Konzert in Hamburg dabei zu sein.

Es ist November, nass, kalt und dunkel. Glücklicherweise ist meine Idee von Spaß offenbar, mich nach dem Arbeitstag 3 Stunden in zwei Regionalbahnen zu setzen, um mir dann eine Stunde das Geschrei von ein paar Leuten in einem schwarz gestrichenen Raum in einem Betonklotz anzuhören. Zugegeben, wenn man es so ausdrückt, klingt es irgendwie gar nicht mehr so toll. Tatsächlich aber fiebere ich diesem Abend schon seit Monaten entgegen. Als klar war, dass Empire State Bastard ihr Album “Rivers Of Heresy” im ehrwürdigen Uebel und Gefährlich präsentieren würden, wusste ich: Ich werde da sein. Entsprechend groß ist also meine Vorfreude, als ich an der U-Bahn-Station Feldstraße aussteige und auf meine Begleitung warte. Die ist an diesem Abend kein geringerer als AdWeteran Felix, der mir ungefähr 15 Minuten nach meiner Ankunft breit grinsend entgegen stapft.

Mit Blick auf den bedrohlich über der Kulisse thronenden Feldstraßenbunker leeren wir ein erstes Getränk und retten uns danach in die schmiegsame Wärme der meterdicken Betonwände. Da das Uebel und Gefährlich im vierten (Vorsicht: Halbwissen) OG des Bunkers liegt, krackseln wir zunächst die Treppen hoch, vorbei an einer Kletterhalle, einem MMA-Gym und einer Fernhochschule. Schließlich betreten wir ziemlich abgekeucht den Ballsaal der Venue. Wer noch nie im Uebel und Gefährlich war, kriegt hier einen kurzen Eindruck. Beim Ballsaal, dem größeren der beiden Räumlichkeiten des Ladens, handelt es sich um einen langegzogenen, rechteckigen Raum, der stufenweise nach hinten immer höher wird. An der dem Eingang gegenüberliegenden Seite gibt es eine Bar, die wie der gesamte Rest des Raumes komplett schwarz gestrichen ist. Zu der also ohnehin schon düsteren Ästhetik kommt heute noch, dass Teile der Location mit dicken schwarzen Vorhängen abgehangen sind, was den ganzen Raum nochmal dunkler wirken lässt.

Felix und ich flitzen schnell an die Garderobe, denn es ist bereits kurz vor Beginn des Openers des Abends. Gerade als wir unsere Zettel zurückbekommen und ich Felix fragen will, ob er etwas trinken möchte, bricht eine Wand aus Krach über uns herein. Benefits, die an diesem Dienstagabend den Supportslot füllen, haben ganz offenkundig ihr Set begonnen und geben damit den Takt vor, nach dem der Rest des Abends verlaufen wird. Absolut gnadenlos ballern sich die vier Briten durch eine unglaublich intensive halbstündige Performance. Der Drummer der Gruppe legt ein Blastbeat-Feuerwerk nach dem nächsten hin, während Frontmann Kingsley Hall sich mit wütenden Spoken-Word-Einlagen komplett verausgabt. Untermalt wird das ganze von allerlei elektronischem Gedröhne und Gewummer, das von den übrigen beiden Bandmitgliedern beigeteuert wird. Das ganze kann man sich dann in etwa vorstellen wie eine abgefahrene Mischung aus Merzbow, Sleaford Mods und Black Metal.

Nach ungefähr einer halben Stunde sind Benefits durch mit ihrer Show und verlassen nass geschwitzt und sich überschwänglich bedankend die Bühne. Ich mache unterdes drei Kreuze, dass ich heute ausnahmsweise mal an meinen Gehörschutz gedacht habe, denn diese 30 Minuten hätten meine Ohren nicht unbeschadet überlebt. Bevor sich der Hauptact des Abends blicken lässt, gibt es erstmal noch die obligatorische Pre-Show-Playlist auf die Ohren der Anwesenden. Und die ist – naja, sagen wir mal – außergewöhnlich. Statt einem Mix aus Lieblingshits der Künstler:innen und genreverwandten Acts dröhnt aus den Lautsprechern des Uebel und Gefährlich einfach nur ein immer gleicher, sich in unregelmäßigen Abständen wiederholenden elektrischen Tons. Zwanzig Minuten lang. Zwanzig. Minuten. Humor haben die also. Mit Ablauf dieses bizarren Zwischenprogramms füllt sich auch der Raum vor der Bühne wieder etwas mehr, als die vier Musiker:innen die dunkle Bühne betreten. Was mit dem ersten Ton hier an diesem Abend in Hamburg geschah, hab’ ich noch nie erlebt.

Empire State Bastard spielen ein Konzert so roh, da waren Salmonellen drin. 14 Songs, 50 Minuten, keine Barrieren, keine Instrumentenwechsel, keine Zugabe, keine Ansagen (wenn man das gekrächzte “Dave Fuckin’ Lombardo!” nach dem trommelfellzermalmenden Drum-Feuerwerk von “Stutter” mal außen vor lässt). Simon Neil verbringt dabei gut die Hälfte der Show entweder mit dem Rücken zum Publikum oder halb auf dem Boden kauernd, während er die nihilistischen Lyrics der Songs ins Mikro raspelt. Leider merkt man dem Sänger die vier Shows, die Neil zu diesem Zeitpunkt bereits in den Knochen, bzw. den Stimmbändern, stecken. Teils ist statt dem kreidegrellen Kreischen eher ein heiseres Hauchen zu vernehmen, wenn er zur neuen Zeile ansetzt. Den Mangel an stimmlicher Kapazität machen Neil und seine Kumpan:innen aber mit musikalischer Energie mehr als wett. Der bereits erwähnte Dave (Fuckin) Lombardo hämmert wie ein Irrer in die Felle, Bassistin Naomi MacLeod zementiert diese Wand aus Krach nochmal ordentlich und Mike Vennart, der spätestens nach fünf Songs aussieht wie der kaputt-gerockte große Bruder von Thomas Hermanns, shredded und shredded und shredded. 

Das gute daran, wenn eine Band erst ein Album draußen hat, ist ja, dass man definitiv alle Hits zu hören bekommt. Das ist auch heute der Fall, Empire State Bastard zimmern sogar gleich die ganze Diskographie aufs Parkett. Angefangen mit der erste kürzlich veröffentlichten Single “Tired, Naw?” über Biffy-esken “Moi?”, das beschwörerische “Palms of Hands” und natürlich “The Looming”, der das zugabenlose Set des Abends beendet. Darüber hinaus schleust die Band aber auch drei neue Songs in die Show. Den ersten davon gibts auf Anspielstation fünf der Setlist, ein Zeitpunkt, zu dem mein Gehör (trotz Ohrenstöpsel) bereits so durchgenudelt ist, dass ich beim besten Willen kein beschreibendes Wort außer “laut” über “The Blues”, “Corpse in the Chateau”, und “Code (Eat Shit!)” verlieren könnte. Zum Zeitpunkt, als ich diesen Text niederschreibe, flattern mir immer noch die Ohren.