Bring Me The Horizons Evolution von einer schnell vergessenen Teenie-Deathcore-Truppe zu einem der größten popkulturellen Phänomene Großbritanniens ist keine Geschichte der plötzlichen Wendungen, sondern eine kontinuierliche Klimax des vorsichtigen Herantastens. Von Platte zu Platte brach die Band die Barriere zur melodischen Gefälligkeit ein Stück weiter auf. Sie brachte so etwa auf ihrem dritten Album mit „Blessed With A Curse“ zum ersten Mal einen Song mit eindeutig balladeskem Einschlag in einer wilden Metalcore-Achterbahnfahrt unter, dekorierte ihre Songs auf „Sempiternal“ mit immer epischerer Orchestration und ebnete so geschickt den Weg für den voranpreschenden Alternative von „That’s The Spirit“. Selbst die ersten Single-Auskopplungen von „Amo“ schienen diesen Weg mit frappierender Planungsgenauigkeit fortzusetzen. So stand „Mantra“ noch eindeutig im Geist des Vorgängers und „Wonderful Life“ inszenierte musikalisches Weiterdenken im weiterhin kompatiblen Metal-Gewand. Umso überraschender ist es, dass „Amo“ genau dieses Geschick der dramaturgischen Kontinuität schließlich doch abhanden kommt.
Das Problem ist dabei absolut nicht, dass Bring Me The Horizon mit ihrer sechsten Platte endgültig im Electro-Pop angekommen sind. Der leicht ironische Umgang der Band mit dieser Tatsache sorgt im Gegenteil sogar für einen der grandiosesten Momente des Albums. In „Heavy Metal“ kommentiert Oli Sykes den zu erwartenden Unmut vieler alter Fans mit den Worten „And I keep picking petals/ I’m afraid you don’t love me anymore/ Cause a kid on the Gram in a Black Dahlia tank/ Says it ain’t heavy metal“ und schiebt allen Vorwürfen mit einem brutalen Metal-Schrei sarkastisch den Riegel vor. Er beendet dabei gleichzeitig ein längst vergangenes Kapitel, das eigentlich keines Kommentars mehr bedürfen sollte. Sicher kann man sich am offensichtlichen Radioformats eines „Medicine“ reiben, wer „Mantra“ aber im gleichen Atemzug für eine Offenbarung hält, nur weil Sykes die Stimme zwischendurch kurz zum gutturalen Gesang erhebt, der hört offensichtlich mit Genre-Scheuklappen. Tatsächlich stellen die Electro-Pop-Experimente auf „Amo“ oftmals die interessantesten Erzeugnisse dar. Der psychedelische Disco-Stampfer „Nihilist Blues“ erfüllt seine Rolle als Gratwanderung zwischen modernem Zeitgeist und musikalischer Intensität grandios. Auch die abstrahierte Lounge-Landschaft des Zweiminüters „Ouch“ erweist sich als geschickter Schachzug, vor allem, da der Spagat zwischen Nostalgie und Futuristik durch den direkten textlichen Kontrapunkt zu „Follow You“ von der Vorgängerplatte noch deutlicher ausfällt.