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Bloodhype und "Modern Eyes": Du nicht, Michael Knight

Der Eskapismus in die Vergangenheit: Gerade, wenn es um die 80s geht, werden verschiedene Ansätze geprobt. Entweder man versucht es mit uninspiriertem anbiedern an Klischees wie gewisse wilde Tourplaner oder man wagt einen tatsächlichen Deep Dive in die Vergangenheit - wie Bloodhype auf „Modern Eyes“.

Man hatte schon aufgehört zu hoffen, dass es jemals einen Langspieler als Nachfolger der „Wolves“-EP von Bloodhype geben würde. Der ein oder andere wird sich noch an die Supportshows für die Blackout Problems im Rahmen der „Kaos“-Tour erinnern, die die Berliner einem breiteren Publikum näherbrachten. Doch das ist nun schon ein paar Jahre her. Seitdem kamen vereinzelte Singles, angefangen mit dem sensationellen „Hate Candidate“ bereits 2019. Der Song über Persönlichkeitsstörungen bringt eine lyrische Schwermut gepaart mit musikalischer Leichtigkeit mit sich und lässt sich in einer Flutwelle aus durch Effektgeräte gejagten Gitarren auf geschundene Nerven nieder. Ein Balsam die Mentale Gesundheit, ein Verstandenwerden, wo man seinen eigenen Verstand oft nicht versteht. Das war vor dreieinhalb Jahren. Vor drei Jahren kam dann „Violent Heart“. Die Einflüsse aus der Popmusik der 80er wurden immer stärker. Aber zwischen den bunten Synthie-Elementen bricht sich eine immerwährende Härte bar, die die nötige Ernsthaftigkeit in diesen flehenden Liebesbeweis bringt. Und nun war Funkstille. Covid hat Bloodhype lahmgelegt und anders als andere haben sie sich Zeit gelassen. Eigentlich sollte 2020 das Debütalbum kommen, doch das wurde verworfen. Die Zeit ging ins Land und es scheint, als wäre „Violent Heart“ wie der kleine Vorbote eines stilistischen Putsches gewesen.

Der Vergleich hinkt, denn das bisherige Oeuvre hatte schon viel Freude gebracht. Und doch kommt im August 2022 „Glamour“ wie ein kleiner Überfall daher. Denn ein angedeuteter Wandel ist in einem Zug vollzogen und der wirkt. Der Sound lässt einen körnigen Filter auf der Netzhaut zurück, der Soundtrack der 80er Jahre ist hier. Aber Bloodhype machen es anders als all die Bands, die stumpf die Werke von alten Größen adaptieren. Sie sind keine langweiligen Kunstfälscher, die Songs kopieren und mit edgy neuen Lines versehen, sie kommen eher mit der Beltracchi-Methode, produzieren Kunst, die einfach genau aus dieser Epoche hätte kommen können. Und doch ist zu bezweifeln, dass Bloodhype die Hitparaden der 80er gecrasht hätten, denn sie regeln ihre verzerrten Gitarren nicht runter, die Drums erinnern mit unverhohlener Kraft daran, wer hier gerade spielt. Und trotzdem könnten sich die Saxophon-Soli ein wunderbares Schnittbattle mit einem tanzenden High-School-Pärchen am Ende einer Coming-Of-Age Komödie liefern.

Bloodhype kopieren nicht, sie fangen einen musikalischen Zeitgeist ein und transportieren ihn textlich in die heutige Zeit. Sie machen ihr eigenes Ding und geben sich der Nostalgie voll hin ohne zu vergessen, wie beschissen das gesellschaftliche Bild in den 80ern immer noch war. Das kommt ganz ohne peinliche Klischees und Gimmicks aus. So kann man es auch machen, könnte sich die ein oder andere Band auch eine Scheibe von Abschneiden - besonders die eine…

Fazit

8.2
Wertung

Es ist absurd, wie einerseits authentisch dieser musikalische Zeitgeist eingefangen worden isrt und wie Bloodhype es gleichzeitig geschafft haben, diesem Sound einen unvergleichlichen Stempel aufzudrücken. Das versuchen andere aktuell sehr verzweifelt und es ist schön zu sehen, wie gut und wenig peinlich das funktionieren kann, wenn man sich auf musikalisch ausgefeiltes Songwriting stützt und nicht auf Klischees.

Moritz Zelkowicz