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3Plusss und "weine jetzt, lache später" - Aggro, Depri

Aggro, Depri, Aggro, Depri. 3Plusss räumt auf. In der Szene, in der Gesellschaft und ganz besonders mit sich selbst. "weine jetzt, lache später" ist Abrechnung, Anprangern, Leiden und Absolution. Und schlichtweg brilliant.

Wie oft der Mainstream Deutschrap sich in seiner toxischen Männlichkeit selbst karikiert, ist wohl unzählbar. Denn selbst wenn er sich von seiner „gefühlvollen“ Seite zeigt, malt er nur Bilder von toxischem Verhalten und ungesunden Beziehungen. Doch wo sind die Rapper, die nicht nur wirklich Gefühle zeigen, die sich lossagen von diesem toxischen Männlichkeitsbild. Die einem einen echten Einblick in die unheimlichen Abgründe von gebrochenen Seelen geben. Und die sich am Ende sogar kritisch mit dem eigenen Schaffen auseinandersetzt.

3Plusss arbeitet sich auf „weine jetzt, lache später“ ab. An der Szene, an der Gesellschafft an sogenannten Künstler, an rechten Bubbles. An der Öffentlichkeit, die Leute „cancelt“, nur um sie dann zur besten Sendezeit ins Rampenlicht zu zerren und sie berichten zu lassen, wie schlimm es ist gecancelt werden. Ohne auch nur einen Hauch von Reue oder Eingeständnissen.

Doch am meisten arbeitet er sich an sich selbst ab. Wie wenige andere hat er sich beim Thema Detuschrap MeToo eingeschalten, hat sich solidarisiert, hat informiert, unterstützt, angeprangert, ohne dabei sich selbst freizusprechen. Im Gegenteil. Kaum ein anderer Rapper hat seine eigene Arbeit so sehr auf den Prüfstand gestellt und sich selbst hinterfragt. Er hat sich kritisch auseinandergesetzt und nicht versucht eigene problematische Zeilen totzuschweigen.

Doch was er schafft wie kaum ein anderer sind seine Blicke in den von Depressionen geplagten Kopf. 3Plusss schafft Momente von unglaublicher Intimität und formuliert seine Gedanken auf eine selten dagewesene, kluge und abgeklärte Art. Auf der einen Seite ein Best-Of an Sprüchen, Entschuldigungen, Beschwichtigungen, Ausreden und Euphemismen für die eigene Situation, da es viel zu schmerzvoll und unangenehm ist die Wahrheit auszusprechen. Nicht zuletzt auch die unerträglichen gut gemeinten „Tipps“.

Auf der anderen Seite bietet er Verständnis und so etwas wie Absolution von einem Label, einem Stigma. Weg von der Person des Depressiven. Denn es ist kein Charakterzug, es ist eine Krankheit. Und die definiert einen nicht als Person.

Das Album ist irgendwas zwischen Kriegserklärung und Trostpflaster und es übernimmt beide Rollen unglaublich stark. 3Plusss prangert an, er stellt ganze Teile der Rapszene in ihrer Lächerlichkeit bloß und scheut sich kein bisschen davor gecancelt zu werden. Aber er zeigt sich auch verletzlich, lässt hinter die Fassade blicken. Die Fassade des Mannes, den viele immer noch nur als jungen blonden Batttlerapper sehen. Wie viel mehr in ihm steckt hat er schon bewiesen, aber hier setzt er sich selbst die Krone auf und überbietet sich von Track zu Track selbst.

Fazit

9.5
Wertung

Ob es mich aufpeitscht oder zu Tränen berührt, 3Plusss bietet das komplette Spektrum an Emotionen. Öffnet sich selbst, teilt mächtig aus und macht keinen Hehl um die Verachtung die er gegen einen großen Teil der Szene und generell gegen die Menschheit hegt. Er brilliert in absolut jeder Hinsicht und stellt sein gesamtes Werk, nicht zuletzt auch große Teile der deutschen Raplandschaft damit in den Schatten.

Moritz Zelkowicz