Statt aber einfach nur die verschiedenen Genres miteinander in einem einmaligen Mashup zu vereinen, überlegte Gagneux sich für seine neue Band eine komplette Hintergrundgeschichte. Hierzu eine kurze historische Exkursion: Der im Zuge der Kolonialisierung Afrikas und Amerikas von den Europäern aufgebaute transatlantische Sklavenhandel gilt als eine der größten und folgenreichsten menschlichen Katastrophen der Geschichte. Zu zehntausenden wurden nichtsahnende Menschen in den Kolonien auf Schiffe verladen und in die sogenannte “Neue Welt” gebracht, in der sie für die Kolonialherren schuften mussten. Kaum ein historisches Ereignis zeigt seine Ausläufer so deutlich noch heutzutage und in gegenwärtigen Problemen. Da das wohl auch in Europa entgegen den Standards für ein menschenwürdiges Miteinander ging, musste ein Narrativ her, das den Kolonialherren und Profiteur:innen des Sklavenhandels das schlechte Gewissen abnahm. Dieses Narrativ besagt, dass die Europäer:innen als von Gott erwählte Vertreter:innen den ungebildeten Heiden aus Afrika zu einem besseren Leben verhelfen würden, indem sie sie von ihrem Zuhause in die fortschrittliche Welt des Westens integrieren. Soweit zumindest das Versprechen, die systematische Ausbeutung und strukturelle Unterdrückung wurden dabei großzügig unter den Tisch fallen gelassen. Ein essentieller Bestandteil dieser “Befreiung” bestand darin, den Sklaven den europäischen Glauben nahezubringen, oder präziser gesagt, aufzuzwingen. Das nennt sich dann Zwangschristianisierung, und war aus europäischer Sicht ein voller Erfolg. Viele Sklaven nahmen den Glauben an und es entwickelte sich über die Jahre ein ganz eigener “Stil” der Religionsausübung, der auch die Gospelmusik und damit eines der Genres, bei denen sich Zeal & Ardor bedient, hervorbrachte. Zusammen mit den von Call-and-Response-Gesängen geprägten Work Songs und dem Blues bildet der Gospel die afro-amerikanischen Einflüsse von Zeal & Ardor ab. Aber was wäre nun, wenn die Sklaven sich gegen den Glauben entschieden hätten? Was wäre, wenn sie statt Gott seinen kosmischen Widersacher angebetet hätten?