Von allen weiblichen Stimmen, die ich im Musikbereich kenne, dürfte Judith meine Nummer Eins sein. Sind ihre Songs manchmal ein wenig zu verkopft? Ja, auf jeden Fall! Aber ich kenne kaum eine Frau, die mich mit ihrer Stimme, die so menschlich, zerbrechlich und doch stark war, so berühren konnte. Natürlich mag ich mehr Sängerinnen, aber die meisten sind austauschbar und immer ein wenig anbiedernd gewesen, während Frau Holofernes einfach das machte, was sich für sie gut anfühlte. Sie fühlte sich damit nie wohl ein Produkt zu sein und genau das ist es aber, was die Musikindustrie aus Menschen macht. Mit ihrem Schritt zu Patreon ist sie nun unabhängiger und kann Schreiben und Podcasts, die übrigens sehr hörenswert sind (vor allem der mit Funny van Dannen!), aufnehmen und wenn sie will, auch wieder Musik machen, ohne den Druck, der ihr Leben lange im Griff hatte und an dem sie zu zerbrechen drohte. Geholfen hat dabei übrigens Amanda Palmer, welche den selben Schritt getan hatte und Judith dabei begleitete und zur Freundin wurde. Neben einigen, wirklich interessanten Freundschaften (wie beispielsweise zu Teitur), hat das Buch auch einen wunderschönen Schwerpunkt. Nichts tun! Die von ihr bereits besungene Müßiggang (also wie in Bikergang...also mit ä ausgesprochen) ist nun Name der Patreoncommunity und das zielgerichtete Nichtstun musste von ihr gelernt und perfektioniert werden, um ihr Leben zu verändern und vielleicht zu retten. Viel Stoff um darüber nachzudenken. Ich will auch nicht zu viel erzählen. Es ist ein tolles Buch, einer begeisternden Künstlerin, deren Stimme Teil einer Generation ist und die es verdient hat ihrer Kunst freien Raum zu lassen. Ich habe vor Jahren damit aufgehört, musikalische Helden (hihi) treffen zu wollen (ja, auch bei Reznor nehme ich davon Abstand!), aber bei ihr würde ich eine Ausnahme machen. Selten habe ich ein Buch gelesen, dass soviel Lust gemacht hat, einen Menschen (noch mehr) kennenzulernen.
Seitdem sende ich ihr nun auch Geld bei Patreon. Ich nutze die Plattform erst seit kurzem, eigentlich um Finn McKenty, den Nailed-Podcast, DankPods und die Band HEALTH (deren Musik ich nicht mal sooo sehr mag, aber die posten geile Memes bei Instagram und sind einfach eine mutige Band, die es verdient hat) zu unterstützen. Doch mit den letzten Zeilen des Buches war ich überzeugt, dass sie es verdient hat, ein paar Euro dafür zu bekommen. Ich wünsche mir, dass mehr Kunstschaffende diesen Schritt gehen und Fans die Möglichkeit geben, sie zu unterstützen, ohne sich den Schrank mit Merch zuzumüllen, der unter miesen Bedingungen produziert wurde, da es ja oft der einzige Weg zu sein scheint, der Band Geld zukommen zu lassen, da Albumverkäufe (mach ich trotzdem, aber ich kauf das Album ja nicht zwanzig Mal, damit da wirklich was rumkommt) oder Spotifyplays kaum etwas einbringen oder in meinem Fall auf Konzerte zu gehen, die ich mittlerweile eher anstrengend finde. Würden beispielsweise Counterparts oder Nine Inch Nails einen Patreon starten, wäre ich sofort dabei. Wieviele gute Alben es vielleicht geben könnte, wenn die Kunstschaffenden sich mehr Zeit nehmen könnten, weil sie ein regelmäßiges, sicheres Einkommen, durch ihre Fans und nicht ein Label, haben? Jedenfalls kann sich Judith nun meiner Unterstützung sicher sein und ich kann das Buch nur empfehlen. Ich mag biographische Bücher und dieses zählt nun zu meinen liebsten. Es ist witzig, traurig, schonungslos und doch einfach liebevoll. Es ist von allen Büchern, die ich dieses Jahr bisher gelesen habe, mein liebstes und dabei musste es gegen 28 andere bestehen!
Ich hoffe, dass ich, irgendwann einmal, noch ein Buch von ihr lesen darf. Vielleicht über ihr Leben mit Patreon (ja, sie bloggt, aber als Buch wäre es halt schöner) oder einfach über ihr Leben mit dem Hund...was weiß ich. Ich habe dieses Buch verschlungen, weil es so wunderschön geschrieben wurde und ich kann es nur allen ans Herz legen, ob Helden/Holofernes-Fan oder nicht, dieses Buch zu lesen.
"Du bringst mich um
Schlaf und Verstand
Für dich geb' ich
Dem Wahnsinn die Hand."
Liebe Judith, solltest du aus unerklärlichen Gründen über diesen Text stolpern - danke für dieses Buch. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute und hoffe noch viel von dir zu lesen und zu sehen.
So. Ich werd' jetzt "Die Reklamation" hören und mich fragen, was ich als nächstes lesen, beziehungsweise, was mich nach diesem Buch unweigerlich als nächstes eher enttäuschen, soll.
Bis zum nächsten Mal,
xoxo
Joe