Betroffene über Corona #1: "Ich spüre den starken Willen, zusammenzuhalten!"

Corona trifft die Kulturindustrie auf vielfältige Weise und wir fragen Betroffene, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen. Dieses Mal dabei: Michael Dreilich von Blackout Problems, Jonas Horn von Minutenmusik, Singer/Songwriter Moe, Nick Sauter von Cadet Carter und die Betreiber der T-Stube Rendsburg.
Blackout Problems

Michael Dreilich (Blackout Problems): Die Corona-Krise betrifft jeden Menschen gleich, egal ob körperlich in Form des Virus' oder gesellschaftlich in Form der Privilegien, die viele von uns genießen und die in Zeiten wie diesen deutlicher denn je zum Vorschein kommen. Ich persönlich glaube fest daran, dass die Kulturschaffenden in diesem Land diese Krise durchstehen und in der Zwischenzeit neue Wege finden werden, zu kreieren und Kreationen zu den Leuten zu bringen. Wer schon mal etwas aus dem Nichts erschaffen hat, kann das auch nochmal und immer wieder tun. Dennoch gibt es Clubs, Festivals, Crews und Bands, die es gerade schwer haben und manchmal drohen, den Glauben zu verlieren. Nur durch gegenseitige Wertschätzung in Form von Spenden, Streaming, Förderungen und so weiter können wir uns allen gegenseitig helfen. Wer jetzt immer noch meint im eigenen Boot zu sitzen, hat vorher schon alleine gerudert. Ich spüre den starken Willen, zusammenzuhalten und glaube, dass viele neue Dinge aus diesem Tief entstehen werden und kann somit positiv in die Zukunft blicken. Uns als Band betrifft es vergleichsweise milde. Klar, auch wir kämpfen jetzt finanziell ums Überleben und müssen Pläne verschieben, aber wir können trotzdem produktiv sein und haben Perspektive. Auch wenn es gerade schwer fällt alleine und nicht zusammen Musik machen zu können, können wir immer noch alle Musik machen, Musik hören, Artikel schreiben, Platten rezensieren oder Interviews führen oder geben. Diese Situation nur ansatzweise als schlimm zu bezeichnen und kein Wort über die Menschen zu verlieren, deren Leben gerade in Gefahr ist, weil sie auf einer Insel in Griechenland festsitzen oder mit Vorerkrankungen und im höheren Alter in einem Pflegeheim liegen und nicht verstehen, warum sie keinen Besuch mehr bekommen können, finde ich nicht nur unangebracht, sondern auch egoistisch. Bei kreativen Arbeiten spielt Emotion eine sehr große Rolle und es fällt uns schwer, uns eine Welt ohne Kultur vorzustellen. Lasst uns dennoch auf die Menschheit nicht nur als Musikszene, sondern als Ganzes blicken und niemanden vergessen oder zurücklassen. 

Jonas Horn (Minutenmusik): Die Existenz anderer Kulturmenschen ist definitiv mehr in Gefahr als die eines Bloggers. Die Auswirkungen der Krise bekommen wir trotzdem zu spüren. Ganz banal: Werden Konzerte und Veröffentlichungen verschoben, so fallen Inhalte und damit Klicks weg. Das trifft uns weniger als andere Medien. Wir müssen mit unserer Arbeit kein Geld verdienen und dementsprechend nicht unbedingt Aufrufe einfahren. Uns treibt nämlich vor allem eins an: Wir beschäftigen uns mit Kunst, weil sie uns eine stetige Anlaufstelle bietet und den Alltag erleichtert. Der Konzertbesuch gehört genauso zum positiven Lebensgefühl wie ein Kneipenabend mit Freunden. Es geht also weit mehr verloren als einige Klicks: Die Euphorie eines schwitzige Clubgigs, das Gefühl nicht alleine dazustehen sowie der Austausch mit Gleichgesinnten. Da heißt es nun, geduldig zu sein. In der Zwischenzeit bleibt es unsere Aufgabe, Kulturschaffende, die mehr kämpfen müssen als wir, zu unterstützen. Denn: Einmal ausgestorbene Arten kehren nur selten wieder auf die Bildfläche zurück.

Moritz Herrmann (Moe): Dem ersten Schock, einer abgesagten Tour Ende März/Anfang April, folgte ein: „Okay, was mache ich jetzt eigentlich und kann ich das alles irgendwie weitermachen?“ Nach ein paar ängstlichen Tagen des Herumprobierens und Sortierens muss ich sagen, dass mich persönlich die Corona-Krise „nur“ dahingehend betrifft, als dass Konzerte abgesagt wurden und Proben nicht stattfinden können. Wenn man von dieser Einschränkung absieht, finden sich gerade interessante Wege, kreativ zu werden, über die ich vorher überhaupt nicht nachgedacht habe. Livestream-Konzerte, Liegengebliebenes aufarbeiten (Steuern, *hust*) und das Produzieren und Planen neuer Releases auch über weite Distanzen. Bisher funktioniert das alles sehr gut. Allerdings kann ich wahrscheinlich auch nur so entspannt sein, weil ich noch einen weiteren Nebenjob an meiner Uni habe, der trotz Corona weiterläuft.

Nick Sauter (Cadet Carter): Für unsere Pläne als Band hätte die Corona-Krise zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Nachdem unser Album am 8. Mai erscheinen wird, mussten wir knapp 15 Konzerte im April und Mai canceln oder verschieben. Für eine Band, die viel selbst macht und finanziell große Investitionen in das neue Album auf sich genommen hat, ist die Corona-Krise also der GAU. Aber: Es geht allen Bands so und nicht nur denen, sondern auch vielen anderen Menschen, die im Kultur-Business arbeiten. Am Ende gibt es für mich trotzdem keine Frage: Gesundheit geht immer vor. Wenn wir dazu beitragen können, Menschenleben zu retten, ist die Änderung unserer Pläne und die Einschränkung unserer persönlichen Prioritäten für mich eine Selbstverständlichkeit. Wir als Band wünschen uns, dass wir diese Krise möglichst bald hinter uns lassen können. Alles andere wird sich fügen, und fügen müssen.

T-Stube Rendsburg: Viele selbstverwaltete Kulturzentren, egal ob in ländlichen Gegenden oder Kleinstädten, kämpfen bereits jetzt um das Überleben. Insbesondere, wenn diese ohne öffentliche Fördermittel betrieben werden. Auch etablierte, bekannte Locations wie das Volxbad in Flensburg oder das Subrosa in Kiel rufen bereits nach Hilfe. Für uns ein echter "Glücksfall", dass wir dank sehr niedriger Fixkosten und einem kleinen finanziellen Polster wohl etwas länger durchhalten, bevor auch wir in Schieflage geraten. Wenn wir wieder öffnen dürfen, planen wir einige Soli-Veranstaltungen, um die anderen kulturellen Freiräume in unserer Umgebung zu unterstützen, welche durch die aktuelle Pandemie besonders in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Solidarischen handeln ist jetzt das Gebot der Stunde.