Mit Punk Geld zu verdienen, ist schließlich auch so schon schwer genug – weshalb jedes Bandmitglied bei Adam Angst noch einem normalen Day-Job nachgeht. Spießbürgerlich, würde die Punk-Polizei nun rufen, aber so bewahren sich die Musiker ihre künstlerische Integrität: Sie sind nicht auf Verkäufe und Klicks angewiesen wie manch anderen Künstler, sondern können sich unabhängig vom Erfolg ihrer Platten daran orientieren, was sich für sie gut anfühlt. Aber wie weit geht diese Unabhängigkeit vom trendigen Sound wirklich?
Roman: Du spielst sonntags noch ein Festival, fährst dann 600 Kilometer nach Hause, legst dich ins Bett pennen, bist total fertig, gehst am nächsten Morgen wieder arbeiten und willst dann abends einen Song schreiben, in den paar Stunden, die du dann für dich hast? Das ist schwer. Und wenn du eine Woche hast, zuhause sitzen und Kaffee trinken kannst und wenn du keinen Einfall hast gehst du halt nach draußen spazieren oder was Schönes essen. Ich glaube, dass man dann einfach mehr Zeit hat, um Sachen auf sich wirken zu lassen, aber man davon natürlich auch abhängig ist. Es hat alles sein Gutes und sein Schlechtes. So bist du gezwungen, in der wenigen Freizeit, die du eben hast, was zu schaffen. Sonst bist du davon abhängig, dass es dann auch Erfolg hat. Und so können wir sagen, wir machen das alles immer noch für uns. Dann findet es halt Anklang oder eben nicht.
Felix: Ich habe schon Angst davor, dass es negativen Einfluss auf die Musik hätte, wenn wir uns nach Trends richten müssten. Ich glaube auch, dass es so ist. Das ist halt nicht gerade einfach – ich brauche natürlich mein anderes Leben, weil dadurch kriegt man auch eine gewisse Sicht auf die Dinge. Wenn ich meine Arbeit und mein Privatleben nicht hätte, hätte ich auch nicht mehr die Sicht auf die Dinge, um Texte zu schreiben, glaube ich. Weil dann mache ich auch nichts anderes mehr als die Musik, und mein Leben besteht aus touren und saufen und keine Ahnung was noch. Das würde mir halt nicht gefallen. Außerdem: Wenn du Musik machst, weil sie gemacht werden muss, kommt dabei auch Scheiße raus. Und du musst halt Sachen machen wie einen Instagram-Takeover beim Deichbrand Festival oder Ford Focus Rock Invasion irgendwas. Da hab ich keinen Bock drauf.
Roman: Hat keiner von uns.
Felix: Ich würde niemals etwas machen, was mir so richtig zuwider ist – dafür ist mir die Musik zu wichtig. Gezwungen sein, irgendwelche Werbeaktionen zu machen, weil Geld reinkommen muss – bäh. Ätzend.
Roman: Wir haben uns mit der neuen Platte sehr viel Zeit gelassen, was wir uns eben erlauben konnten, weil wir unser Geld auch so für unser privates Leben verdienen. Andere haben da krasse Deadlines, denen gesagt wird: Du bist damit zwar nicht zufrieden, aber wir müssen die Platte jetzt rausbringen, um dich zu vermarkten und zu verkaufen. Gib uns jetzt das, was du hast, und sei glücklich damit oder nicht. Casper hat seine Platte ja auch geschoben, aber diese Größe musst du auch erstmal erreichen, sowas machen zu können. Wenn das Label dann sagt, dass das rauskommen muss und du performst dann auf der Bühne etwas, mit dem du gar nicht happy bist, stellt sich irgendwann auch die Frage, wie zufrieden du mit dem Ganzen am Ende des Tages bist. Da gehen bestimmt auch genug Künstler dran kaputt.
Felix: Vielleicht bin auch zu alt für Instagram, aber ich finde das eher stressig. Es tut mir ja leid für unsere Promo- und Plattenfirma, ich habe aber einfach keinen Bock, jeden Tag was zu posten und mir irgendwelchen Content zu überlegen oder zu schaffen. Manche Leute kloppen sich um einen Takeover und wir halt nicht. Wir haben auch schon Coverstorys für Zeitschriften abgesagt, weil… irgendwie kein Bock. Das klingt jetzt richtig bescheuert.
Roman: Es fühlt sich für uns manchmal irgendwie auch nicht richtig an. Wir verstehen natürlich total, dass das ein Luxusproblem ist, was wir haben. Für uns fühlt sich das aber nicht richtig an, weil wir einfach nicht so sind. Wenn wir dann mal was bei Instagram posten, war das bis vor kurzem wegen irgendeiner lustigen Idee, die wir im Tour-Bus hatten. Das sind am Ende des Tages auch schäbige, verwackelte Handyfotos. Daran sieht man auch, dass wir das nicht so ernst nehmen. Du freust dich eben mehr darüber, die Musik live zu spielen und zu präsentieren und eine Show zu machen. Damit Leute zu erreichen, ist uns wichtiger. Und ein ‚geile Show‘ ist mir tausendmal wichtiger als jedes beschissene Like bei irgendeinem Facebook-Kommentar oder Instagram-Post.
Diese Einstellung äußert sich ganz konkret in der Wahl des leicht peinlichen Albumcovers und –titels: Das Artwork von „Neintology“ zeigt alle Bandmitglieder lächelnd in die Kamera guckend. Vorne steht Felix in leuchtendem weiß – ein Cover, das man von einer Punkband, zumindest im weitesten Sinne, so nicht erwartet hätte.
Roman: Hosen runter – die Platte war fertig, bevor wir diesen Albumtitel hatten und wir haben gebrainstormt. Wir hatten sehr viele Vorschläge, die es alle nicht geschafft haben, und ‚Neintology‘ hat es eben geschafft. Und da konnten wir dann noch unseren bescheuerten Humor reinpacken und uns Zeugs überlegen. Unsere Promo-Leute müssen dann damit leben. Auch dieses Plattencover – uns ist ja bewusst, wie das aussieht! Das tut natürlich weh! Aber wir finden das ja lustig! Also, vielen Dank ans Grand Hotel, dass die das mitmachen. Jede andere Plattenfirma hätte wahrscheinlich gesagt: Nee Leute, nochmal neu machen, das können wir nicht bringen. Aber wir haben uns da eben was überlegt, und das wollen wir auch so durchziehen. Ich freu mich schon darauf, irgendwann in einen Plattenladen zu gehen, unsere Platte zu sehen und zu denken: Mann, das ist die hässlichste Platte in diesem ganzen Laden. Aber das schockt mich dann halt wieder und ich freu mich darüber. Das ist ein Dorn im Auge und der geht so schnell auch nicht raus.
Felix: Mit diesem Album und der ganzen Zeit, in der es uns noch geben wird, wird hoffentlich immer mehr unsere kranke Psyche durchkommen - einfach, so richtig scheiße zu sein.