Im Kreuzverhör

Im Kreuzverhör #25: Randale - "Punkpanda Peter"

Einmal monatlich stellt sich die Redaktion gemeinsam Platten außerhalb ihrer Komfortzone. Dieses Mal wirft Jannika "Punkpanda Peter" der Kinderpunk-Band Randale in den Ring.

Randale und Punkpanda Peter – das war meine Kindheit. Ich bin mit der Musik von Randale aufgewachsen, da kommt auch ein bisschen der Lokalpatriotismus zur Heimat meiner Eltern durch. Das erste Album war für mich „Tierparklieder aus Olderdissen“. Den Tierpark Olderdissen in Bielefeld kenne ich durch zahlreiche Besuche auch recht gut. Mit Liedern wie „Tierpfleger Ottokar“ oder „Putze Putze Putze Putz“ und der Forderung, die CD rauf und runter im Auto zu hören, haben mein kleiner Bruder und ich unsere Eltern viele Stunden lang gequält – auch wenn Randale natürlich immer noch um Welten besser erträglich ist als Rolf Zuckowski und ähnliche Kinderliedermacher. „Punkpanda Peter“ hat wahrscheinlich meine erste große Genreliebe zum Punk geweckt. Mit dem Song wollten Randale den Kindern aber auch verschiedene andere Genres näherbringen. Ich erinnere mich noch gut an die Erklärung von Sänger Jochen, was Heavy Metal ist: „Heavy Metal heißt auf deutsch 'schweres Metall', da schreien und schauen die immer so, als wäre ihnen ein schweres Stück Metall auf den Fuß gefallen“. Das hat sich offensichtlich eingebrannt – ich bin mittlerweile ja auch mehr in der Metalszene beheimatet. Auch andere Songs habe ich, ohne sie nochmal zu hören, schnell wieder im Kopf gehabt. Und dann bleiben die da auch ein bisschen als Ohrwurm kleben, so zum Beispiel der Titelsong "Punkpanda Peter" (den ich, ganz guilty-pleasure-mäßig, in meine "Punk-Faves" Playlist aufgenommen habe). Die Band spielt auch sehr oft mit kindgerechter Sprache, sodass die älteren Zuhörer*innen aber trotzdem verstehen, was eigentlich gemeint ist, zum Beispiel im „Läuse-Song“, mit der Phrase „Die Läuse und die Nissen, die sollen sich ver…krümeln“. Sowas sorgt dann für den ein oder anderen Lacher in der Reihe der Eltern, während die Kinder ihren Spaß an der kindgerechten Version haben. „Urlaub“ ist ein Song, der auch auf dem letzten (sehr schnulzigen) Hosen- oder Madsen-Album dabei hätte sein können und gar nicht als eigentlicher Kindersong zu erkennen wäre. Auch nach 16 Jahren Randale ist die Band immer noch produktiv und reist von Bühne zu Bühne – wenn nicht gerade Corona dazwischenfunkt. Und live machen sie immer noch wahnsinnig viel Spaß, letztes Jahr auf dem Summer Breeze Open Air zum Beispiel, als eigentliches Kinderprogramm, genauso wie die ebenfalls empfehlenswerte Kinder-Metalband Heavysaurus. Randale sind eine Mischung aus eigentlich wirklich guter Musik mit lustigen Texten – und einer gehörigen Portion Nostalgie.

Bei einem Punk-Album für Kinder keimen in mir sofort zwei Fragen auf. Erstens: Ist das der ultimative Beweis dafür, dass Punk wirklich so dermaßen infantil ist, dass man an seiner Beschaffenheit für Kinderkompatibilität wirklich überhaupt nichts ändern muss? Und zweitens: Es muss ja nun nicht immer die pseudo-classy Mozart-Compilation für Säuglinge sein, aber will man seine Knirpse wirklich schon so früh an rödelnde Drei-bis-Vier-Akkorde-Stupiditäten heranführen? Ganz egal, ich kann "Punkpanda Peter" alles in allem quasi genau so schwer ertragen wie all die anderen ewiggestrigen Punk-Platten da draußen, was vornehmlich daran liegt, dass sich diese wirklich kaum von der endlosen Flut neuer ZSK-Platten unterscheidet. Statt um Bier und expliziten Antikapitalismus geht es auf dieser Platte eben auch mal um Wackelzähne oder Läusebefall. Ein paar kleine Kicherer für Kinder und Elterngeneration gibt es dann immer noch, wenn ein unflätiges Wort durch einen vorangestellten Reim angedeutet, aber dann doch nicht ausgesprochen wird. Dieser Witz kommt hier nicht nur einmal vor und verliert dadurch im Laufe der Zeit schon etwas von seiner bescheidenen Wirkung. Fast den gleichen Gag gibt es übrigens auch in Disneys "Frozen" im Song des quirligen Schneemanns Olaf. So eine rebellische Erziehung muss man sich erstmal trauen.

"Punkpanda Peter" kommt in einem unschuldigen Kindermusik-Gewand daher und suggeriert damit einfältige Schmunzelmucke. Geht man allerdings mal ideologiekritisch ran, dann offenbart sich doch recht schnell die immense Komplexität dieses zeitgenössischen Meisterwerks. Man nehme allein schon den Titel: "Punkpanda Peter". Warum gerade ein Panda? Was allgeimein vielleicht als willkürliche oder - aufgrund der Alliteration - pragmatische Entscheidung abgetan wird, zeigt bei näherer Betrachtung eine ganz klare Selbstreflektion der Künstler. Der Punkpanda ist natürlich eine Allegorie auf die Subkultur selbst, gewissermaßen auch die Sichtbarmachung ihrer Werte, Stärken und Schwächen. So ist der Panda hier sicherlich nicht zufällig gewählt worden. Pandas sind extrem friedfertige Tiere. Sie fressen ausschließlich Bambus und nichts anderes. Hier lassen sich gewisse Parallelen zur Punk-Szene ziehen, die einerseits andauernd Pazifismus predigt, andererseits ein sehr elitäres und wenig verzeihliches Wertesystem vertritt. Sie ist gewisssermaßen wählerisch. Aber da hört es ja nicht auf! Die schwarzweiße Fellfarbe des Pandas, die im Titelsong sogar explizit Erwähnung findet ("weiß und schwarz, genau wie ich es mag"), lässt sich als Verweis auf das enggefasste Schwarz-Weiß-Denken der Szene lesen, denn es wird in der Subkultur nur allzu gern differenzierter Diskurs zu Gunsten einfacher und ultimativer Gut-Böse-Ideologie vernachlässigt. Ähnliche Analysen lassen sich auf jeden beliebigen Song dieses Albums anwenden, würden hier allerdings den Rahmen sprengen. Ich denke der Fall ist klar: "Punkpanda Peter" ist ein ganz heißer Kandidat für den Literatur-Nobelpreis.