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Sturdy und „Messed Up“: Ein Stück vom Reifekuchen

Sturdys dritte LP bietet nicht mehr nur straighten Kasselfornia-Punkrock, sondern auch nachdenklichere Hymnen mit Introspektion.
Sturdy Messed Up Cover

Man braucht viel Vorstellungsvermögen, wenn man sich aus Kassels betongrauer Innenstadt an die Strände der kalifornischen Küste träumen will, behauptet die Band aus Hessens Hauptstadt. Und liegt damit vermutlich auch gar nicht so falsch. Auf ihrer LP „Messed Up“ beschäftigt sich Sänger Lukas Djong weit mehr als bisher mit seinem Innenleben. Mit „We Are The Voices“ veröffentlichte die Band vor circa zwei Jahren ein politisches Statement in der Migrationsdebatte. Auf „Messed Up“ präsentiert sich das Trio weniger reißerisch, dafür umso nachdenklicher und besonnener. Statt ausschließlich Drei-Akkorde-Punkrock - dabei sagen Sturdy von sich selbst, sie hätten von Klassik keine Ahnung - findet sich auf „Messed Up“ ein breites Spektrum an Songs zwischen direkter Rotznasigkeit („Unemployed“), wohldosiertem Herzschmerz („Torn“) und grooviger Sommermusik („Korvamato“) mit Akustikgitarre. In „Korvamato“ findet sich darüber hinaus ein ganz wunderbarer Featuregast. Dylan Slocum von Spanish Love Songs singt im Duett mit Lukas Djong über die Sorglosigkeit, die man in jungen Jahren oft verspürt, bevor sie in den Anforderungen des Erwachsenwerdens erstickt werden. „Korvamato“ ist der finnische Begriff für Ohrwurm, den die Band zweifelsohne von ihrer Finnland-Tour mitgebracht hat. Ironischerweise ist der größte Ohrwurm auf „Messed Up“ nicht „Korvamato“ sondern „Disappointed“.

Dass Sturdy noch nicht völlig erwachsen sind (und es hoffentlich auch nicht werden wollen) belegen knackige Nummern wie „Unemployed“ oder „Borewhore“, die mit nicht mal zwei Minuten Länge und der lyrischen Finesse eines Bohrhammers der Aufmerksamkeitsspanne von sternhagelvollen Irokesenträgern allumfassend Rechnung tragen. Vielleicht sind die aber auch Produkt der Aktion „Dein Text, unsere Musik“, bei welchem Fans angehalten wurden, Kassenzettel, die Beschreibung ihres favorisierten Gleitgels oder einen selbst geschriebenen Text an die Band zu senden, welche diesen dann vertont. Dass sie aber auch ganz anders können und wollen zeigen Sturdy in der ersten Singleauskopplung „Torn“.

Wenn die Imaginationskraft für den Tapetenwechsel aus Kassel nach Rocky Beach auch sehr strapaziert wird, so braucht es jedoch viel weniger davon, um auf Sturdys neuer Platte Parallelen zu einer Band zu erkennen, die mal stolz Poopzkid im Namen trug. Ein musikalischer Reifeprozess lässt sich auf „Messed Up“ also nicht leugnen. Dieser steht der Band sehr gut. Seine Punkwurzeln hat das Trio aber bei weitem nicht verloren. Auch das steht ihnen sehr gut. Das Album enthält zehn Songs zwischen emotionalem Striptease und jugendlicher Naivität. Aufgenommen wurde „Messed Up“ mit Konstantin Cajkin von Kind Kaputt.

Fazit

6
Wertung

Erkenntliche musikalische Weiterentwicklung, ohne die blauen Haare gänzlich zu verleugnen. Sturdy verschmelzen Spaß und Ernst und singen über das, was ihnen grade in den Sinn kommt.

Merten Mederacke