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Russian Circles und “Gnosis”: Des Strudels Kern

Russian Circles aus Chicago vermögen es auch auf Album Nummer acht immer noch hervorragend aus drei Instrumenten eine starke Atmosphäre zu kreieren. Auch wenn sie manchmal zunehmend um sich selbst kreist.

Instrumentalmusik – zumindest die gute – vermag es wie kein anderes Genre, Faszination allein durch Stimmung auszuüben. Ob groovy wie Polyphia oder hypnotisch wie Animals As Leaders, diese Spielart der Gitarrenmusik braucht keinen Gesang und keine Lyrics, um einen Vibe zu versprühen. Im Gegenteil, diese Elemente wären vermutlich sogar störend, würden sie einen doch aus der Immersion reißen. Künstler:innen dieses Subgenres streben damit eine ähnliche Dynamik an wie das Goa oder bestimmte andere Spielarten elektronischer Musik tun. Möglichst wenig verbale Ablenkung, damit sich die Wirkung der Töne optimal entfalten kann. Diese Wirkung wissen auch Russian Circles auf ihrer neuen Platte “Gnosis” für sich zu nutzen. Das Album umfasst zwar gerade einmal sieben Tracks, die läppern sich aber auch zu einer Laufzeit von knapp 39 Minuten. Damit bekommen die einzelnen Songs genug Anlauf, um ihren Stimmungsaufbau zu vollziehen.

Musterbeispiel hierfür ist das titelgebende Stück “Gnosis”. Ein gespenstisches Intro aus verkühlten E-Gitarren und viel Spielerei mit Effekten und vor allem dem Stereo-Sound werden Stück für Stück durch fissurhafte Bässe und knarzende Riffs ergänzt und von den sehr organisch klingenden Drums fast schon umarmt. Erst nach fast fünf Minuten bricht der Song auf und entfaltet eine schwindelerregende Epik, nur um im Finale nochmal die knallharte Riffkeule auszupacken und ordentlich durch die Gehörgänge zu trampeln. Mit seinen fast acht Minuten ist “Gnosis” das unbestreitbare Highlight der Platte.

Leider kann das Album dieses sehr hohe Niveau nicht auf ganzer Länge halten. Produktion und Sound bleiben zwar weiterhin stark und atmosphärisch, zu oft klingen einzelne Songs aber zu ähnlich und bringen bei wiederholtem Hören nicht genug neue Eindrücke mit, um auch langfristig zu fesseln. Die technischen Breakdowns und wirbelnden Gitarrenläufe sind zwar einwandfrei gespielt, drehen sich aber zunehmend im Kreis. Man geht keine großen Risiken ein und bleibt bei dem, von dem man weiß, dass man es gut kann. Und die Abwechslung von Härte und Epik können Russian Circles offensichtlich ziemlich gut. Aber es fehlt eben dieser letzte hypnotisierende Moment, um Bewusstsein und Aufmerksamkeit vollends an die Atmosphäre der Musik zu binden.

Fazit

6.8
Wertung

“Gnosis” wird – ich kann’s mir jetzt schon vorstellen – eines dieser Alben sein, bei dem ich mir im Dezember denken werde: "Krass, das war ja dieses Jahr auch noch!” Eine wirklich unterhaltsame Platte, der aber leider der euphoriserende Luftzug fehlt, der den Funken zum Feuer werden lassen würde.

Kai Weingärtner