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Retro Review: Wie mich "Hello Rockview" zum Ska-Punk brachte

Less Than Jake gehörten mit I Against I, H2O oder The Pietasters zu den Punkbands, die mich sehr früh und unterbewusst für diese Musik sensibilisierten. „Hello Rockview“ ist ein persönliches Überbleibsel aus einer völlig anderen Zeit.

Wir schreiben das Jahr 1999, als Electronic Arts ein Jahr nach dem Release in Japan das Spiel „Street Sk8er“ auf dem europäischen Markt veröffentlichte. Ganz so früh hielt ich das gute Stück zwar nicht in den Händen, aber einige Jahre später fand das Game irgendwie den Weg in den Besitz meiner Familie. Das Leben war zu dieser Zeit äußerst unbeschwert und bestand im Wesentlichen aus Grundschule, Fußballspielen und bei schlechtem Wetter eben dem Gameboy (klassisch Pokémon natürlich) oder der Playstation 1 (!). Das Prinzip dieses Spiels ist eigentlich ziemlich einfach: Coolen Skater oder Skaterin auswählen, hübsches Skateboard aussuchen und vom Start- bis zum Zielpunkt durch ein Level fahren, Stunts abliefern und so viele Punkte wie möglich sammeln. Dabei wird man in jedem Level von einem Song begleitet, den man im Falle des Scheiterns wieder und wieder hören muss. Das Ergebnis dessen ist, dass ich den gesamten Soundtrack heute mit jedem Wort und jeder Note in- und auswendig kann. Ich habe zudem damals früh herausgefunden, dass Spiele für Playstation 1 problemlos in den CD-Player gesteckt werden können um den Soundtrack eines Spiels als CD zu hören (wer das noch nicht wusste: Gern geschehen!). Street Sk8er eignet sich demnach auch super als Punkrocksampler für laue Sommernächte.

Irgendwann verlor das Spiel durch das Erscheinen der Nachfolgekonsolen an Bedeutung. Was übrig blieb war die Liebe zum Soundtrack, der heute mich und die Freunde, mit denen früher stundenlang gezockt wurde, immer wieder in glücklichen Erinnerungen schwelgen lässt. Irgendwann habe ich angefangen, mir die weiteren Alben der Bands in Playlists zu ziehen oder zu kaufen, sodass bis heute „Street Sk8er“ aus dem Jahr 1998 einen riesigen Einfluss auf mich und meine Musikvorlieben hat. Von Less Than Jake waren damals zwei Songs für den Soundtrack des Games ausgewählt worden: „Sugar In Your Gas Tank“ aus dem Jahr 1996 sowie „All My Best Friends Are Metalheads“ aus dem Jahr 1998 vom Album „Hello Rockview“.

 

Das im Spiel verbaute „All My Best Friends Are Metalheads“ beginnt auf dem Album nach einer eingespielten Rede und offenbart anschließend alle Stärken des Albums in einem einzigen Song. Der für Skate-Punk übliche, sommerliche Rhythmus kombiniert sich mit der wie für den Punk gemachten Stimme von Chris Demakes und dem Einsatz von Blasinstrumenten. Ich kann den Song heute nicht anhören, ohne vor meinem inneren Auge einen verpixelten Skater in Aktion zu sehen. „Hello Rockview“ ist natürlich mehr als ein Song und hat viel mehr Facetten zu bieten als „All My Best Friends Are Metalheads“. Ich gebe zu, dass das Album mit „Last One Out Of Liberty City“ recht chaotisch beginnt und eher für groben Pogotanz gemacht ist, dieses Blatt wendet sich jedoch bereits im zweiten Song „Help Save The Youth Of America From Exploring“. Der zweistimmige Gesang im Refrain sowie der Einsatz von schnellen Gitarrensoli und den von mir sowieso geliebten Blasinstrumenten hatten mich bereits beim ersten Anhören schnell in ihren Bann gezogen. Der Song wird mittendrin auf einmal schneller und bremst sich anschließend komplett aus, indem er bis auf den Gesang alle Instrumente verstummen lässt.

„Nervous In The Alley“ klingt durch seine unbeschwerte Melodie so herrlich leicht, ist dabei aber textlich von Unsicherheit geprägt. Es gelingt Less Than Jake durch den Einsatz ihrer Instrumente, nicht nur ihre eigenen Texte hinter fröhlichen Melodien zu kaschieren, sondern diese Leichtigkeit und diese positive Atmosphäre durch die Boxen auf einen selbst überschwappen zu lassen. Hat man sich gerade zu sehr an die Unbeschwertheit gewohnt, wird man zum Beispiel vom schnellen „Motto“ unsanft aus der inneren Entspanntheit gerissen. Frei nach dem Motto „Tempo hoch und ab die Post! Und schön singen ist auch kein Punk.“ „Hello Rockview“ hat wirklich viele Seiten. Das Album vereint die angenehmen mit den chaotischen Klängen und die mitsingbaren Refrains mit den tanzbaren Strophen. Das geschieht alles im groben Rahmen des Skate- und Ska-Punks.

Da ich mich nie von meiner Playstation 2 getrennt habe, zieht es mich hin und wieder nochmal in die gute, alte Zeit zurück. Während der Vorbereitung auf diesen Text bin ich im Internet über ein Exemplar des Spiels gestolpert, welches in wesentlich besserem Zustand ist als meins. Frei nach dem Motto „Neu ist immer besser“ (Barney Stinson) liegen jetzt also zwei Exemplare in meinem Regal. Nur für den Fall, dass das eine mal den Geist aufgibt. Da die Speicherkarten der PS2 bei den alten Games bei mir nicht mehr funktionieren, muss ich Street Sk8er aktuell immer von Anfang an spielen um zu schauen wie weit ich am Ende komme. Dabei muss ich notgedrungen mit jedem Scheitern jeden einzelnen dem jeweiligen Level zugeordneten Song wieder und wieder anhören. Ich kann mir wirklich schlimmeres vorstellen.

Auch in der Liveversion ist "Hello Rockview" eine wundervolle Erinnerung an wahrlich unbeschwertere Zeiten. Meine Probleme damals: Das Diktat am nächsten Morgen sowie Fuballtraining und Playstation unter einen Hut kriegen. Dass ich heute den Ska-Sound von Sondaschule oder Destination Anywhere liebe, hat wohl nicht wenig mit diesem Album aus dem Jahr 1998 zutun. Danke, EA SPORTS!

Fazit