Reviews

My Ugly Clementine und "The Good Life": Das Leben ist okay!

Seit 2019 machen My Ugly Clementine in fast konstanter Besetzung freche Musik. In ihrer Heimat Österreich werden sie bereits als „Supergroup“ bezeichnet, da alle drei Musikerinnen in herausragenden Solo- oder Bandprojekten umtriebig und erfolgreich sind. Mit „The Good Life“ liefern sie jetzt eine Ode an das Leben.

Der Opener “Circles” eröffnet ein Album, welches von Beginn an so frisch klingt, wie das Leben sein sollte. Oder schon längst ist? Leichte Gitarren tragen die Hörenden mit eingängigen Riffs durch den Song und die Drums passen sich in Intensität und Rhythmus perfekt an. Und so bringt die Wiener Band einen Sound zurück, der an die 90er und 00er Jahren erinnert: ein Konglomerat an Grunge, Postpunk und Indie. Die Band selbst verneigt sich in ihrem Video zu „Feet Up“ vor ihren Vorbildern, wenn Clips von Nirvana, Blink-182, Red Hot Chilli Peppers oder Avril Lavigne nachgestellt werden.

Die Songs werden in der Regel begleitet von einem leichten Gesang, den sich die drei Musikerinnen teilen. Eine positive, manchmal leicht überdrehte Intonation, die perfekt mit dem Sound harmoniert. Das Leben ist aber nicht immer so harmonisch. Gerade die erste Singleauskopplung „Are You In“ handelt von Ängsten, mentaler (Un-)Gesundheit und dem Gefühl auf der Stelle zu stehen.

Aber dieser Gegensatz muss verdeutlicht werden, damit das Positive im Leben umso stärker wahrnehmbar wird. Das Leben ist etwas Gutes, etwas Erstrebenswertes und Erfahrbares. Und diese positive Sicht spiegelt sich von Beginn an in den Liedern wider. In „Circles“ sind es die Freund:innen oder die das eigene Sein begleitenden Menschen, die eine Stütze sein können, egal wie stressig oder belastend Lebensphasen sind. Aber auch die Fähigkeit Vergangenes loslassen zu können („Let Me Go“), der digitalen Scheinwelt („WWW“) mit Distanz zu begegnen oder sich von „The Adviser“ zu lösen, können den Blick zu der Erkenntnis öffnen, dass manches im Leben zu viel („Too Much“), aber nicht alles beschissen ist. Und auch die immer stärkere, gesellschaftliche Stigmatisierung von Langweile wird positiv dargestellt („Feet Up“).

Aufgenommen wurden die vielseitigen Songs in (fast) völliger Abgeschiedenheit in Tschechien. Sophie Lindinger (Bass, Gesang) übernahm eigenständig die Produktion. So konnte dieser frische Sound entstehen, dessen Aufnahmeprozess von dieser positiven Gemeinschaft und Spaß am Musikmachen geprägt war, die in den Songs besungen wird. Beispielsweise beginnt der Song „No“ mit einem Lachen der Band, haut aber anschließend den Hörenden Grunge-Gitarren um die Ohren, um sie mit hymnischen Refrains emporzutragen. Es sind gerade die Stimmen von Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs (Gitarre) und Nastasja Ronck (Gitarre) die die Songs vielseitig machen. Neben den hymnischen Parts setzen sie ihre Stimmen grungig-tief ein, um den kontrastreichen Lyrics, wie in „The Adviser“ oder „No“, auch einen gesanglichen Gegensatz zu bieten. Letztlich ist es dieser Mix, der das Album glänzen lässt und die Band zurecht den Stempel „Supergroup“ aufdrückt. Es bringen drei Musikerinnen ihre Fähigkeiten, ihren Spaß und ihre Attitüde eindrucksvoll zusammen.  

Diskografie (Auswahl)

Studioalben

2020: Vitamin C

EP

2020: Peeled (Acoustic Versions) 

Fazit

8.8
Wertung

Mit „The Good Life“ schenken uns My Ugly Clementine ein positives, musikalisches Kunstwerk gespickt mit Songs, die jedem Menschen aufzeigen, dass das Leben trotz aller Widrigkeiten okay ist. Die drei Musikerinnen schaffen es auf gesanglicher und instrumentaler Ebene fließend Grunge, Indie-Pop und Pop-Punk miteinander zu verweben, dass es einer Neuerfindung eben jener Genres gleicht. My Ugly Clementine haben es geschafft, mich aus meiner musikalischen Komfortzone herauszureißen und zu begeistern.

Frank Diedrichs