Reviews

Iron Chic und "You Can't Stay Here" - Musikalische Trauerarbeit

Der Tod einer nahestehenden Person ist ein unbeschreiblicher Verlust. Jeder verarbeitet ihn anders. So ziehen sich manche zurück und nabeln sich von der Welt ab. Andere nehmen den Schmerz und formen ihn zu etwas Neuem, etwas Gutem. Genau das haben Iron Chic getan und ihr neues Album, mit all ihrer Trauer und Wut, als Gedenkstein für ihren verstorbenen Gitarristen Rob McAllister geschaffen.
Iron Chic You Can't Stay Here Cover

Das dritte Album der Punkrockband aus Long Island ist ein Werk über Hoffnungslosigkeit, Depressionen, Sinn des Lebens und Verlust. Verpackt werden die Zeilen in getriebene Rockhymnen mit kratzigen Vocals und Sing-A-Longs. Musikalisch sind die Jungs irgendwo zwischen (Pop-)Punkrock, Emocore der dritten Generation und Alternative einzuordnen. Immer wieder wippt man mit dem Fuß, während der Sänger sein Herz ausschüttet, Suizidgedanken äußert und sich die Seele aus dem Leib schreit. Die Aussage der Songs geht in all dem kontrollierten Krach nie verloren und lässt in den Songs immer etwas Trauer und Melancholie mitschwingen. In „You Can’t Stay Safe“ krachen die Instrumente und die Stimme des Sängers beispielsweise auf das Trommelfell ein, im Hintergrund wird der Titel des Songs wiederholt, beinahe mantrisch geschrien. Gänsehaut pur. „Profane Geometry“ geht hingegen straight nach vorn und ist beinahe komplett mehrstimmig gesungen. Keine Gänsehaut, aber dennoch gefühlvoll und live sicherlich ein Ereignis. Die Ballade „Ruinous Calamity“ beginnt ruhig, mit nichts als einer Gitarre und der rauchigen Stimme des Sänger. Ab der Mitte des Songs setzen dann die anderen Instrumente ein und schaffen mit Mehrstimmigkeit noch mehr Atmosphäre als schon zuvor da war.

Die Songs sind abwechslungsreich geschrieben und klingen alle sehr unterschiedlich, ohne dabei nicht nach Iron Chic zu klingen. Hier wurde gute Arbeit geleistet. Mit Gitarrensoli, Sing-A-Longs, choralem Hintergrundgesang, verzerrten, scheppernden Gitarren und treibenden Drums geht es durch die elf Songs. Hier wurde alle Register gezogen, welche das Rockrepertoire hergibt, ohne überladen zu wirken. Mehrstimmiger Gesang, vor allem inflationär genutzt, ist Geschmacksache und kann schnell nerven, wurde hier aber gekonnt integriert und macht die Songs erst wirklich vollständig. Auch der (Haupt-)Sänger muss sich nicht verstecken. Mit tiefer kratziger Stimme brüllt und schreit er sich durch die Songs und senkt den Ton, wenn es ruhiger wird, gekonnt ab. Kleinigkeiten, wie ein Piano am Ende eines Songs, runden das ganze Paket ab.

Technisch gibt es hier keinen Grund zum Meckern. Das Album wurde gut abgemischt, ohne die Ecken, Kanten und die Rotzigkeit glattrasiert zu haben. Die Texte sind gut geschrieben, ohne zu platt oder pathetisch zu sein. Nicht alles wird direkt und geradeheraus gesagt und es bleibt Raum für Interpretationen. Die Trauer ist aus den Zeilen ersichtlich und doch verkommt kein Text zu Gejammer oder 08/15-Emogesäusel. Man findet sich, teils ungewollt, in den Lyrics wieder und erinnert sich an die ein oder andere miese Zeit. Ob man dies will, muss natürlich jeder selbst wissen. Für das, was das Album sein will, ist es aber sehr gut.

Das Songwriting ist gelungen und zeichnet sich durch Abwechslungsreichtum aus. Amerikanischer Alternative-Emo-Punkrock mit Attitüde, Gefühl und Message. Musikalisch erinnern Iron Chic ein wenig an Free Throw, ohne aber wie eine Kopie zu klingen. Beide Bands haben kratzige Stimmen und diesen Emo-Vibe. Dennoch ist Iron Chic hier ein eigenständiges Album mit Wiedererkennungswert und viel Gefühl gelungen. Revolutionäre Neuerungen gibt es hier nicht, aber das, was die Jungs machen wollten, haben sie verdammt gut gemacht. Rockfans und vor allem diese, die emotionale Musik mögen, sollten hier definitiv reinhören.

Fazit

7.2
Wertung

Trauer ist eine schreckliche Emotion, jedoch auch eine unglaublich starke. Iron Chic haben ihre gebündelt und auf Stimmbänder, Saiten und Drumsticks übertragen. Ich wünsche niemandem Trauer, aber mir gerne mehr solcher Alben. Wunschdenken, ich weiß, aber wenn es so klingt, hat all der Schmerz wenigstens einen Sinn.

Johannes Kley
6
Wertung

Die New Yorker haben sich in der Trauerphase um ihren verstorbenen Gitarristen im scharfen Kontrast zwischen bittersüßen Texten und lockerleichten Pop-Punk-Gitarren verzettelt. Die Gitarren kommen nicht genug aus dem Quark und haben somit selten die Chance, die Atmosphäre der Texte hörbar zu gestalten. Deswegen besser die Texte mitsamt Hintergrundstory ausblenden, dann lässt sich die Scheibe richtig gut hören.

Miriam Rhein