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International Music und „Ententraum“: Ist das noch Krautrock?

2018 konnte sich ganz Indie-Deutschland auf das erste Album von International Music einigen. Der Nachfolger „Ententraum“ ist genauso einzigartig und fordernd.

Worauf sich der Titel „Die besten Jahre“, den das Debütalbum von International Music trug, bezieht, darüber kann man nur rätseln: Auf das eigene Schaffen? Die Jugend allgemein? Oder die 60er und 70er, deren Ästhetik das gelungene Cover-Design zitiert? Wahrscheinlich all das und noch mehr. Das Spiel mit der Vieldeutigkeit und Ambivalenzen führt die Band auch auf „Ententraum“ weiter. Allein der Bandname International Music ist schon fast eine Anmaßung. Vor allem, wenn man sich dann am (schon dem Namen nach überaus deutschen Genre) Krautrock orientiert.

Soundmäßig kommt „Ententraum“ aus dessen großer Zeit, den späten 60er- und frühen 70er-Jahren, als noch auf Tonband aufgenommen wurde und man das Studio als Instrument entdeckte. Hall, Synthesizer, indische Einflüsse: All das findet sich auch hier. Beim Hören wird man mit Ideen geradezu beschossen. Der erste Song „Fürst von Metternich“ packt direkt den Dudelsack aus, am Schluss steht „Los Angels“, das einen simplen Gitarrensong antäuscht und dann doch noch das Streichorchester rausholt. Dazwischen spielen sich International Music durch Beat, Garage und Glam, wildern im Psychedelischen und borgen sich Strukturen beim Space Rock.

Die Überforderung der Hörer:innen nimmt die Band dabei billigend in Kauf. Gerade wenn der von Bassist Pedro gesprochene Charakter, der Gedankenzähler, anfängt, in Spoken Word-Manier in die Musik hineinzureden, wird es unübersichtlich. Den Gipfel dessen stellt sicher das Quasi-Titelstück „Der Traum der Ente“ dar, wo Ente, Gedankenzähler und zunehmender Krach ineinander, übereinander und aneinander vorbei sprechen und klingen. 

Aber International Music wissen genau was sie tun. Oder tun zumindest so. „Immer Mehr“ klingt fast wie ein Programm: „Es geht um Atmosphäre“, aber tatsächlich sprechen sie nicht „von Stimmung, sondern Luft“. Solche meta-musikalischen Momente gibt es immer wieder: „Kopf der Band – Pedros Version“ ist die mittlerweile dritte Variante dieses selbstreferenziellen Songs. Damit sind jetzt alle Mitglieder der Gruppe auch ihr Kopf. Und natürlich ist „Spiel Bass“ von einem verzerrten Bass getrieben, in „Museum“ wird dessen Einsatz vorher im Text angekündigt. Apropos Texte: Oftmals hat man den Eindruck, Peter, Pedro und Joel schreiben Songs hauptsächlich deswegen, weil ihnen der Klang bestimmter Worte so gut gefällt. Ob das dann auf Deutsch oder Englisch passiert und nüchtern betrachtet Sinn ergibt, ist eher zweitrangig. Aber auch das passt ins Konzept. „Die Sprache ist eklektisch“, singen sie selbst auf „Misery“. Eklektisch – das gilt für den gesamten „Ententraum."

Fazit

8
Wertung

Auf „Ententraum“ muss man sich einlassen. Auch deswegen, weil es sich mit über einer Stunde Spielzeit für heutige Verhältnisse unerhört viel Zeit nimmt, aber in diese Zeit auch sehr viel reinpackt.

Steffen Schindler
7
Wertung

Enten scheinen ja wahnsinnig kreative Vögel zu sein, wenn das, was International Music hier musikalisch abbilden, wirklich die unterbewusste Gedankenwelt eines solchen Tieres darstellt. Wenn dem tatsächlich so ist, sollte man demnächst vielleicht lieber ein Aufnahmegerät mit in den Park nehmen, statt nur dem Brot von letzter Woche. Wer sein Herz an den kruden Krautrock der 70er verloren oder einfach nur Gefallen am letzten Neubauten-Album gefunden hat, sollte hier ganz dringend mal reinhören.

Kai Weingärtner