Reviews

Imagine Dragons und "Mercury - Act 2": Meister der Popformel?

Imagine Dragons, ein Name von dem mittlerweile jede:r sicherlich gehört hat. Mit ihrem Hit „Radioactive“ fing alles in 2012 für das US-Amerikanische Quartett um Dan Reynolds an. Fluch und Segen der Popformel, und eine Band die dieser Formel immer treu geblieben ist - for better or worse.

Songs für Soundtracks, Kollaborationen mit anderen Künstler:innen und vier Alben bis zu ihrem neusten sind bisher erschienen. "Mercury - Acts 1&2" beinhaltet nicht nur das 2021 veröffentliche Vorläuferalbum „Mercury - Act 1“ sondern zeigt dass diese Band mit ihrer Größe und Reichweite so ein Album überhaupt produzieren kann und das scheinbar auch seitens der Musikindustrie abgesegnet wurde. Die Art des Musikhörens ist in stetigem Wandel. Mittlerweile werden Songs mit einer Laufzeit von 01:20 Minuten veröffentlicht, einfach um dem immer währenden Schnellkonsum gerecht zu werden. Es überrascht also durchaus, dass "Mercury - Acts 1 & 2" eine Spieldauer von etwas über eineinhalb Stunden hat. Und trotzdem sind die 32 Songs leider einigermaßen gleich aufgebaut. Es ist halt Pop. Wenn auch gut produzierter Pop. Lässt man das musikalische für einen Augenblick beiseite und konzentriert sich lediglich auf die Struktur der Songs kann man sagen, dass sie fast alle der altbewährten Popformel folgen.

Etwas ernüchternd bei dieser Spielzeit und der Menge an Songs. Doch eins nach dem anderen.

Der Song „Enemy (with JID)“ in dem Computerspiel „League of Legends“ aber auch im Radio und Stream gewann an großer Popularität. Obendrein eröffnet dieser Song auch den ersten Akt bzw.  das erste Album dieser Doppel-LP. Weitere nennenswerte Titel sind „Giants“, „Cuttthroat“ und „No Time for Toxic People“. Die ersten beiden genannten Titel stechen durch ihre gewisse Härte im Gesang und in Intensität andere Songs aus. „Cuttthroat“ ist eine Überraschung an Song, ein Song, den man den Dragons vielleicht nicht direkt zugetraut hätte. Dass Reynolds so stark nach vorne geht, beweist das musikalische Wachstum des Sängers und der Band. 

„Younger“ ist vielleicht der verstecke Hit des zweiten Acts und wird vermutlich bald in vielen Instagramstories von Leuten zu sehen sein, die Reisen zu ihrer Persönlichkeit gemacht haben. Spaß beiseite, dieser Song ist ein Feel-Good Song, einer der wenigen, der ok ist, wenn er im Radio läuft und live auch sicherlich viel Freude bereiten wird. Ein bisschen Nostalgie im Text, wuchtiger Rhythmus, Poppige Elemente und die guten alten Klatscher. Bis es dann zu einem wirklich guten Gitarrensolo kommt, welches das Ruder noch mal rumreißt und das musikalische Handwerk aufblitzen lässt.

Der Song „Ferris Wheel“ verarbeitet Trennung und Versöhnnung zwischen Dan Reynolds (Sänger) und seiner Ehefrau. So sind auch die beiden Albencover zu deuten. Act 1 zeigt eine Figur die nach unten fällt, Act 2 eben jene Figur wie Hermes dem Himmel entgegenschweben. Aber, kann man persönliche Geschehen denn bitte einmal anders verarbeiten als mit der immer gleichen Formel von Intro, Strophe, Refrain, Strophe, Refrain Outro?

Ein Pre-Chorus hier und wechselnde Dynamik da sind schön und gut, aber hört man sich besipeilsweise eine, vom Namen ähnlich klingende Platte an, nämlich „Mercury Falling“ von Sting, wird schnell klar was gemeint ist. Ob Freddy das auch so gut findet, was mit dem planetaren Namen da angestellt wird - naja, ich drifte ab.Fakt ist: Die Platte(n) sind gut produziert und die Songs haben genug Ostereier und/oder Gimmicks, damit die Struktur nicht direkt auffällt. Aber jedem Laien sollte das irgendwann auffallen. Dabei sind die Imgaine Dragons wahrlich gute Musiker, gar keine Frage. Es bedarf viel Finesse und Können solche Songs derart durchzukomponieren und eben jene kleinen Elemente präzise zu platzieren, dass es auch nach Act 1 immer noch Spaß macht weiter zu hören. Des weiteren kann man Reynolds als mehr als fähigen Sänger bezeichnen. Bruststimme, Falsett und sogar Screams und Shouts baut der Sänger in seine Melodien ein. Vor allem letzteres ist ein noch relativ neues Element in der Musik der Band. Ein weiterer Punkt ist der massive Erfolg den die Band nun seit 10 Jahren feiert. Sie stehen auf Platz 14 der weltweit meist gehörten Bands und Künstler:innen (laut Spotify). Obendrein die Tatsache, dass Rapper Macklemore als Eröffnungsact die Band auf Tour begleitet ist schon eine Errungenschaft, wo Macklemore selbst kein kleiner Name ist.

Das Album neigt sich mit zwei wirklich schönen Balladen seinem Ende. Der Song „Continual“ Featured Cory Henry, ein Jazzmusiker, der unter anderem mit der Avantgarde des Jazz, Snarky Puppy, gearbeitet und einen Grammy gewonnen hat. Man hört sein Mitwirken deutlich raus und kann sich in tollen Bassläufen und Harmonien nur so suhlen. Ein Song der ebenfalls heraussticht.

Als abschließender Song ist „They Don’t Know You Like I Do“ eine anfangs sanfte, zierliche Ballade die sich zur Hälfte der Laufzeit auf einen ersten Höhepunkt begibt. Ein zweiter lässt auch nicht lange auf sich warten und so schließt das Quartett ihr nun sechstes Studioalbum mit Streichern und einem simplen Mitsingpart. Man darf sich also sehr auf die Tour und die Konzerte freuen. Live ist diese Band sicherlich eine ganz andere Sportart und da ist es dann auch egal welche Struktur die Songs haben. Diese Band versteht es eine gute Show zu machen und hat es geschafft für viele Menschen aus vielen Genres interessant zu sein.

Fazit

7
Wertung

Vielleicht ist dieses Werk das Paradebeispiel der neuen Musik: Der Versuch anders zu sein und im Kern dann doch immer gleich. Gute Musik ist es allemal, nur mit gleicher Formel.Wenn die Imagine Dragons diese Gratwanderung perfektionieren, werden sie ihren Zenit noch weiter ausbauen können. Bis dahin gebührt Ehre wem Ehre gebührt. Ein Album mit Macken und doch wirklich guter Popmusik.

Jan-Severin Irsch