Reviews

Green Day und „Father Of All...“: Auf der Suche nach... was genau?

Nach vier Jahren geben Green Day wieder ein vertontes Lebenszeichen in Albumlänge von sich. Die Band präsentiert scheinbar wild experimentierend viele bisher unbekannte Facetten, lässt dabei aber ihre Kernzielgruppe aus der Vergangenheit größtenteils unabgeholt auf der Strecke.

Schon das Cover des (lässt man "¡Uno!", "¡Dos!" und "¡Tré!" aus 2012 dreifach zählen) immerhin 13. Studioalbums, lässt den Betrachter nur müde den Kopf schütteln. Das allseits bekannte „American Idiot“-Artwork mit der blutenden Herzgranate in der Hand am Ende eines ausgestreckten Arms wurde beschnitten und verhunzt. Der Bandname sieht aus wie mit Ketchup aufgespritzt. Auf den Arm wurde der Titel „Father Of All Motherfuckers“ geschmiert. Das letzte Wort „zensiert“, ein regenbogenfarbene Flüssigkeit kotzendes Einhorn mit brennendem Hinterteil. Ernsthaft?

Aber Cover hin oder her: Auf die inneren Werte kommt es bekanntlich an! Drei Euro ins Phrasenschwein. Das Wichtigste vorweg: Wer sich vom „American Idiot“-Coverausschnitt in die Irre leiten und die Hoffnung auf melodiösen Auf-die-Schnauze-Punkrock aus dieser Zeit setzt, wird von den US-Amerikanern bitter enttäuscht. Das heißt zum Glück nicht, dass das Album komplett unbrauchbar ist. Nichtsdestotrotz muss man spätestens mit Release dieses Albums einsehen, dass sich die Wege der Truppe um Billie Joe Armstrong in andere Richtungen enwickeln. Weg vom Punkrock, hinein in mit Pop vermischte Rockmusik bis hin zum hierzulande bestens bekannten „Boss-Hoss-Sound“. Diese Aussage mag erstmal verwirrend klingen, hat aber ihre Daseinsberechtigung.

Den Einstieg in das gerade einmal ein paar Sekunden länger als 26 Minuten andauernde Album könnte man ungelogen auch Alec Völkel und Sascha Vollmer auf dem wohl irgendwann erscheinenden Nachfolger von „Black Is Beautiful“ singen lassen. Backgroundgesang und Klatschen an den richtigen Stellen und das deutsche Radiopublikum singt im Auto munter groovend mit. Schade, dass einer Band wie Green Day diese Präsenz im deutschen Rundfunk trotz verdammt ähnlicher Mucke verwehrt bleiben wird. Aber das ist ein anderes Thema. Nach zwei Songs ist jedenfalls genug gebosshosst (Verb-Neuschöpfung ist heute inklusive) und „Oh Yeah!“ als dritter Track läutet, auch wenn noch nicht vollkommen, den Rest der Neuorientierung einer ehemalig für komplett andere Musik bekannten Punkrockband ein. Der Titel an sich ist leider der unspektakulärste auf „Father Of All Motherfuckers“ und soll keine weitere Bedeutung finden.

Mit „Meet Me On The Roof“ beweisen Green Day erstmals die angekündigte „Tanzbarkeit“ der Platte. Auch wenn die Stimme von Billie Joe bei diesem Song als einziges Erkennungsmerkmal der Band zurück bleibt, ist diese Tanzbarkeit eine der Stärken der Platte. Zusammen mit „Stab You In The Heart“ kommen hier wirkliche Rock 'n' Roll-Gefühle auf. Der große Rest der Platte verliert sich im härteren Poprock, der immerhin eine gewisse Portion Grobheit besitzt. Die Gitarren verzerren, die Wortwahl ist wie zum Beispiel bei „Take The Money And Crawl“ nicht immer jugendfrei. Was die elektronische Zerstückelung des Gesangs in diesem Titel soll, erschließt sich nicht.

Unter dem Strich kann man Green Day die Neuorientierung und das Ergebnis des Versuchs natürlich vorwerfen, verurteilen sollte man die Band aufgrund eines soliden Albums mit Stärken und Schwächen im normalen Ausmaß allerdings nicht.

Fazit

5
Wertung

Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Zwischen feinem Rock 'n' Roll-Sound („Stab You In The Heart“) und unpassenden Pop-Bridges („Graffitia“) liegen manchmal eben nur wenige Minuten. Eine musikalisch zu respektierende Verabschiedung von einem legendären Sound.

Mark Schneider
2.4
Wertung

Man nehme Autotune, simple Double-Claps (oder gleich den Soundbaukasten von Garage Band) und geklaute Riffs und tadaa – FOAMF. Dass sich das Ganze überhaupt Album schimpft - und das von einer meiner eigentlichen Lieblingsbands. Bin sehr traurig.

Jannika Hoberg