Klar, es ist nie ratsam, die Vorgänger-Platte zur Hand zu nehmen, wenn man eigentlich die neue Platte besprechen sollte. Aber es ist so naheliegend, dass man es tun muss. Und bei Deaf Havana macht das einfach große Freude. „All These Countless Nights“ war aber auch ein echtes Brett. Die Frage ist nur, was man macht, wenn man einen solchen Erfolg zu verbuchen hat? Baut man darauf auf oder entwickelt man den Stil weiter? Deaf Havanna haben sich für einen merkwürdigen Mittelweg entschieden. Grundsätzlich wird sich weiter an den bewährten Indie-Sounds orientiert, allerdings werden weite Ausflüge unternommen. Auch hier stellt sich eine Frage, und zwar eine sehr existenzielle: Soll es von diesem Ausflug einen Rückweg geben?
Die zwölf Songs, Intro mal ausgenommen, werfen im Endeffekt noch viel mehr Fragen als Antworten auf. Mit „Sinner“ geht die Reise durch „Rituals“ los und dieser Track hat es in sich. Beim ersten Hören ist er etwas schwerfällig, etwas stört, doch es ist nicht ganz klar was. Erst beim zweiten oder dritten Mal fällt der Groschen. „...wie eine Boygroup.“ Der erste Gedanke daran wirkt absolut absurd, doch es ist alles dabei: Das elektronische Schlagzeug, dass viel zu viel Bass hat, bis hin zum Frauenchor, der im Break begleitet von rhythmischem Klatschen den Refrain weitersingt. Und so geht es weiter, verschiedenste Varianten von Boygroup-Pop werden durchexerziert. Ist das in „Sinner“ oder „Rituals“ noch ganz nett, so erreicht es in „Hell“ ein absolut unerträgliches Level. Ein Track, der kommerziellen Erfolg garantieren würde, wenn man sich nach dem Hören noch daran erinnern würde. Auch wenn am Schluss nochmal raue E-Gitarren daran zu erinnern versuchen, dass das hier immer noch Rock sein soll: zu wenig, zu spät.