Reviews

Burning Witches und "Wings Of Steel" - Zeitgemäßer Befreiungsschlag

Nachdem wir uns in unserem Themenmonat „Diversity und Sexismus(…)“ ausgiebig mit dem Ungleichgewicht in der hiesigen Musikwelt beschäftigt haben, setzen uns fünf fulminante Schweizerinnen eine Mixtur aus Speed bzw. Power Metal vor die Nase.

Auch im Jahre 2019 sind die Line-Ups bedeutsamer Festivals und Tourneen feminine Sperrgebiete. Bookingagenturen, Labels und nicht zuletzt die Hörer selbst sorgen speziell im Hip-Hop und Rock für eine einseitig dominierte Männerdomäne. Paritätisches Prinzip? Fehlanzeige. Umso erfreulicher ist die jüngste Entwicklung der Burning Witches. Erst im vergangenen Jahr von Nuclear Blast verpflichtet und mit „Hexenhammer“ ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt, steht nun mit „Wings Of Steel“ eine (Live-)EP in den Startlöchern. Der namensgebende Titelsong wird von Live-Darbietungen einiger Klassiker flankiert und steckt das bandeigene Revier unmissverständlich ab.

„Wings Of Steel“ ist der knurrende Hund in einer zu klein gewordenen Hütte, der jeden Passanten einen meterweiten Umweg gehen lässt. Er schlägt gleich zu Beginn mächtig in die Saiten und ist prädestiniert für Circle Pits und wildes Headbangen. Selbstredend: Die schrillen Tonlagen werden nicht jedermann gefallen. Dafür grenzen sich die Damen zielsicher von den Schlager-Allüren allseits bekannter Genrekollegen (Sabaton irgendjemand?) ab. Zum Schluss klingt es gar, als wolle sich Sängerin Laura Guldemond ihrer Magensäure entledigen. Zuweilen landet eben nicht nur Speichel im Mikrofon. Der „Hexenhammer“ trifft im Konzertkontext zielsicher ins Schwarze und schmiedet eine unheilige Allianz aus wohl dosierter Melodie und brachialer Vehemenz. Was bereits im Studio funktioniert hat, begeisterte auch beim Wacken Open Air die Massen. „Executed“ starte mit unheimlichem Glockengeläut und mystisch gehauchten Vocals. Das Publikum ist dem anschließenden Riff-Gewitter wehrlos ausgesetzt und honoriert die fantastische Leistung mit lauten Jubelrufen. Ehre, wem Ehre gebührt. „Open Your Mind“ kann letztlich mit dem vorangegangenen Dreiergespann nicht vollends mithalten. Dies trübt den Gesamteindruck allerdings wenig, zumal es sich hier ebenfalls um grundsolides Material handelt. Die Floskel „All killer, no filler“ bleibt also eine gut gemeinte Worthülse.

„Wings Of Steel“ muss sich in Zeiten von Streamingportalen durchaus die Relevanzfrage gefallen lassen. Fernab einer qualitativen Bewertung dieses Werks ist der Mehrwert für den Hörer wohl überschaubar. Wo andere Künstler dem Studioalbum an sich den Rücken kehren, ist es mutig oder eben vermessen, weiterhin auf EPs zu setzen. Dennoch: „Wings Of Steel“ macht keine Gefangenen, bringt frischen Wind in die angestaubte Metal-Szene und überwindet die anfänglich dargestellte Ungleichheit. Gute Startvoraussetzungen für die kommenden Jahre.

Fazit

7.1
Wertung

Für mich sind die Burning Witches eine zweite Chance, dem Metal-Sound der 1980er Jahre mehr abzugewinnen. Fans von Judas Priest, Helloween und Co. kommen mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin auf ihre Kosten.

Marco Kampe
6.5
Wertung

Astreiner Power-Metal, von dem sich manche Herren im Genre eine Scheibe abschneiden können. Die rein weibliche Band, erstmals mit ihrer neuen Sängerin Laura Guldemond, fräst mit „Wings Of Steel“ auf der gleichnamigen Platte einen astreinen Ohrwurm ins Vinyl. Temporeich, voll von brachialen Riffs und Soli, kombiniert mit energischer weiblicher Stimme. Die drei Livemitschnitte vom WOA 2019 sind nette Gimmicks und beweisen die gleiche Klasse auf der Bühne.

Mark Schneider