Reviews

The Wonder Years und „Sister Cities“: Ist Kontrolle wirklich besser?

Bands haben es schwer. Für eine Fangruppe entwickelt sich die Band zu wenig und den anderen Fans stößt man mit dem neuen Sound vor den Kopf. Wie das Internet jedoch so oft und so schön verlauten lässt: „Haters gonna hate“. The Wonder Years haben es riskiert, ihren Sound überholt und stellen das Sanfte und Behutsame nun deutlich mehr in den Vordergrund.

Die ersten Töne auf „Sister Cities“ sind treibend und zeigen die Nuancen des neuen Sounds schon recht deutlich. Weniger Punk und mehr Indie heißt die Devise nun und dieser Wechsel ist der Band prinzipiell gelungen. Die Melodien sind wie schon auf dem Vorgängeralbum ein wenig verspielt und bringen doch eine neue erscheinende Tanzbarkeit mit. Gepaart mit den emotionalen Texten und der Abwechslung bei den Instrumenten ergibt sich ein interessantes Klangerlebnis, das jedoch keine großen Neuerungen beherbergt. Das Album klingt ein wenig so, als hätten Maximo Park, My Chemical Romance und Panic! At The Disco eine gemeinsame Platte produziert.

Die Texte gehen teils sehr nah, was vor allem bei den Balladen wie „Flowers Where Your Face Should Be“ gelingt. Der Gesang reicht von sanft und melodisch bis zum Schreien, das aus einer 2005er Emo-Band stammen könnte. Eigentlich ein guter Weg, um Gefühle zu übertragen. Fremde Herzen zu berühren ist eine Sache, jedoch muss der Kopf auch mit und da zeigt „Sister Cities“ seine Schwäche. The Wonder Years waren stets emotional, doch war der Sound rauer und ein wenig kaputter als auf „Sister Cities“. Die neuen Lieder sind glatter und gleiten eher durch die Ohren als dazwischen hängen zu bleiben. Emotionen sind schwer zu transportieren, doch gelang das der Band in früheren Liedern problemlos. Nun gibt es punktuell Momente, in den man das Gefühl hat, der Sänger leide wirklich, aber trotz Schreien fällt das Mitfühlen schwer. Größtenteils wirkt „Sister Cities“ sehr kontrolliert und sauber und es zeigt sich, dass Lenin wohl wieder unrecht hatte. Ein wenig mehr Punk und Distortion hätte den Songs die nötigen Emotionen verleihen können.

Am Ende bleibt ein solides, tanzbares Album, das keine schlechten Lieder beinhaltet, jedoch Potential durch eine zu saubere Produktion verliert. Es fehlen Ecken und Kanten bei den Songs, welche doch eigentlich zum Mitleiden und -fühlen da sein sollten. Keiner bleibt jedoch wirklich im Ohr und auch wenn der neue Sound massenkompatibler ist, ist das wichtigste Element auf der Strecke geblieben: Musik zu schaffen, die in Herz und Kopf ihren Platz findet.

Fazit

5.5
Wertung

Ich mochte die Texte und die Stimmfarbe des Sängers. Aber nachdem ich das Album ausgemacht habe, habe ich es schon komplett vergessen. Schade.

Johannes Kley