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Chelsea Grin und „Eternal Nightmare“: Verstörender Nervenkitzel

„Eternal Nightmare“ lotet die interdisziplinären Grenzen der Unterhaltungsbranche aus und erinnert atmosphärisch an einen allseits bekannten Ego-Shooter aus dem Jahre 2005.
Chelsea Grin Eternal Nightmare Cover

Sich mit dem „Deathcore“ als unumstößliches Merkmal der unvergleichlich harten Gangart schmücken?  Sich dabei soweit, wie es der alteingesessene Fan duldet, dem Mainstream anbiedern und unter dem Deckmantel moderner stilistischer Einflüsse überalterten Wein in neuen Schläuchen abliefern? Und sich letztlich in klischeebeladener Peinlichkeit verlieren? - Wahr ist: „Eternal Nightmare“ scheint als Albumtitel wenig innovativ. Man könnte auch sagen, dass man problemlos 666 gleichnamige Veröffentlichungen im schwermetallischen Kontext finden dürfte. Wahr ist aber auch: Abseits der Äußerlichkeiten (Totenköpfe, dunkle Farbtöne und Rosen auf dem Cover eines Metal-Albums sind nur marginal inspirierend) und des Albumtitels liefern Chelsea Grin ein quicklebendiges viertes Album ohne vernehmbare Schwächen.

Mit dem unheimlichen Intro von „Dead Rose“ öffnet sich sinnbildlich eine Zellentür auf Alcatraz und die personifizierte Stimmgewalt namens Tom Barber darf sich austoben -  Vehemenz, Varianz und Verspieltheit sind jene Grundpfeiler, welche das ganze Album tragen. „The Wolf“ nimmt sich die Tugenden zu Herzen und gibt den Rhythmus abwechselnd analog und digital vor, ohne auch nur eine Spur an Intensität einzubüßen. „Nobody Listened“ fegt mittels eines brachialen Tempowechsels jedes nicht niet- und nagelfeste Objekt problemlos hinfort. Auf „See You Soon“ schreckt man nicht einmal vor (eher) cleanen Gesangsparts zurück, was in Anbetracht der Szenezugehörigkeit durchaus beachtlich ist.

Zunehmend drängt sich der Eindruck auf, man habe der Horror-Trilogie F.E.A.R.  einen musikalischen Tribut zollen wollen. Wiederkehrend gesprochene Sequenzen, wie in „Across The Earth“, erinnern an die Skriptsequenzen jenes Videospielklassikers. Ein sagenhafter Song. Doch dramaturgisch steht auch „Outliers“ dem Ganzen nicht nach. Vorzeigbares Shredding des 6-Saiters, eingestreute Samples zur Intensivierung des Gesamteindrucks, sowie der undefinierbare Abschluss sind akkurate Belege hierfür. Als klassische Zeitgenossen präsentieren sich „Limbs“, „930 AM“ und „Hostage“. Ein Mangel an rasantem Riffing und zentnerschweren Breakdowns besteht mit Sicherheit nicht. Der genügsame Fan will bedient werden und das wird er mit diesen Songs zweifelsfrei.

In der Summe befindet sich „Eternal Nightmare“ für die Genre-Konkurrenz in kaum erreichbarer Ferne. Unabhängig davon, welches Subgenre der geneigte Metalhead präferiert, sollte ein Hördurchlauf riskiert werden. Allen anderen sei der Griff zum virtuellen oder cineastischen Horror empfohlen – in der Wirkweise des Nervenkitzels bestehen keine relevanten Unterschiede.

Fazit

7.1
Wertung

Sollte die heimische Spielekonsole in Zeiten immer kürzer werdender Halbwertszeiten aufgeben, bieten Chelsea Grin eine ebenso unterhaltsame Alternative zur Monster- und Dämonenjagd.

Marco Kampe