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While She Sleeps und „Sleeps Society“: Metalcore mit gewissen Vorzügen

Wer so gerne Krach macht wie While She Sleeps, um den wird es zwischen zwei Alben im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich still. Zum Glück liefert die Band im konstanten Rhythmus ab: Mit „Sleeps Society“ erscheint in diesem Frühjahr das fünfte Studioalbum in neun Jahren. Da wäre nur noch etwas...

2012, 2015, 2017, 2019, 2021. Was sich wie eine fehlerhafte Zahlenreihe eines durcheinander geratenen Grundschülers liest, ist der Beweis für den konstanten Produktionsdrang einer britischen Metalcore-Gruppe namens While She Sleeps. Die Jahreszahlen beziehen sich zugegebenermaßen lediglich auf die Studioalben der Band. Ursprünglich bereits im Jahr 2006 gegründet, dauerte es bis zur ersten EP „The North Stands For Nothing“ (2010) noch circa vier Jahre. Nur ein Jahr später startete Game Of Thrones mit der ersten Staffel, um diese These innerhalb weniger Folgen zu widerlegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ehemalige Sänger Jordan Widdowson die Band bereits verlassen und wurde durch Lawrence Taylor ersetzt. Dieser prägt seitdem den gesanglichen Stil der Briten.  Man kann While She Sleeps ihr stetiges Wachstum nicht absprechen. Bring Me The Horizon wollten sie bereits nach der Veröffentlichung ihrer EP auf ihrer im Jahr 2011 stattgefundenen US-Tour dabeihaben. Und auch wenn Einreiseprobleme das verhinderten, folgten Shows auf den größten Festivals und mittlerweile sind While She Sleeps längst ihre eigenen Headliner. Da das hier aber nicht Inhalt eines Geschichtsstudiums sein soll: Zurück zur Gegenwart!

„Sleeps Society“ umfasst elf neue Tracks und hat eine Gesamtlänge von ca. 45 Minuten. Der grundsätzliche Sound klingt nach wie vor nach solidem Metalcore, ist dementsprechend schnell und aggressiv. Die Tracks sind zudem wie gewohnt reich an melodischen Gitarrenriffs. Immer wieder schlagen elektronische Effekte ein und der Gesang variiert standardisiert zwischen verzerrt und clean. Das lädt zum Kopf ausschalten und auf sich einscheppern lassen ein. Gleichzeitig aber auch zum „Auf dem Dorf der bereits tattrigen Nachbarschaft nochmal zeigen wo der Hammer hängt“ oder es klingt nach „Autofenster runter und Regler nach rechts! Am besten mit Sonnebrille. Arm raus nicht vergessen.“. Es ist halt Metalcore. Natürlich gibt es hier besonders raffinierten und eher stumpfen oder nervenden. While She Sleeps bewegen sich an der Grenze zum kreativ-raffinierten Metalcore. Das macht Spaß, das ist laut, aber das ist und bleibt auch irgendwo Metalcore. Diese Ausführung darf an dieser Stelle durchaus als Kompliment gewertet werden!

 

An diesem Punkt des Artikels enden die Ausführungen über den musikalischen Aspekt der Platte. Die folgenden Absätze befassen sich mit dem Drumherum, der neu gegründeten „Sleeps Society“.

Hinter dem Album „Sleeps Society“ steckt genauer betrachtet viel mehr. Es ist quasi der Sountrack zu einer Idee, sich von den gängigen Methoden der Musikindustrie zu befreien. Von einer Industrie, in der Künstler kurzzeitig Geld bekommen und ausgeben, die Rechte an ihren Songs abgeben und dann oft mit Schulden kämpfen müssen. Mit dem Ziel, ein nachhaltiges Modell für Künstler zu erfinden, wurde durch die Band die gleichnamige Sleeps Society gegründet. Mit einfachen Worten erklärt: Die Fans können für eine Mitgliedschaft in dieser „Gesellschaft“ einen monatlichen Geldbetrag zahlen, wobei es verschiedene Stufen mit verschiedenen Vorteilen gibt. Die Band stellt das unter den Ansatz, im Gegenzug die durch die fehlenden Live-Shows entstandene Lücke bei den Fans auf eine andere Art und Weise füllen zu wollen. Die Vorteile reichen dabei vom verfrühten Zugang zu Tickets in der günstigsten Stufe bis hin zu persönlichen Workshops, zum Beispiel zum Thema Songwriting in der teuersten Kategorie.

While She Sleeps erfinden damit das Rad weiß Gott nicht neu. Der Ansatz von bezahlten Mitgliedschaften gegen Vorteile finden sich in vielen anderen Bereichen des Lebens und auch im Bereich der Musik immer öfter. Sobald sich die zahlenden Mitglieder aber äußerlich vom "normalen" Fan abheben, begibt sich dieses Konzept auf dünnes Eis. Wo viele den Ansatz sehen das Überleben der Band zu sichern, sollte der Aspekt einer möglicherweise dadurch ausgelösten Mehrklassengesellschaft innerhalb der Fanszene nicht unterschätzt werden. Auch im Fall der "Sleeps Society" werden die „Vielzahler“ mit Backpatches ausgestattet, gekennzeichnet und für alle erkennbar sein. Unter dem Strich steht auch hier ein schwieriger Spagat zwischen finanzieller Situation der Künstler*innen sowie der allgemeinen Vertretbarkeit.

 

Fazit

6.7
Wertung

Ich wiederhole mich da gerne: Es ist halt Metalcore. Ich mag Metalcore. Zwischendurch zumindest.

Mark Schneider
5.8
Wertung

Das einzige Experiment an „Sleeps Society“ ist die gleichnamige Patreon-Plattform. Aber das ist völlig okay. While She Sleeps wissen genau, wer ihre Zielgruppe ist und was die hören will. Und wie sie alle anderen eine dreiviertel Stunde lang zumindest nicht langweilen.

Steffen Schindler