Die unsichtbare Grenze zwischen Kunst und Kommerz, zwischen authentisch und “sell-out”, ist heute eine der wohl wichtigsten Trennlinien, nach der Musik bewertet wird, vor allem im Kosmos der Gitarrenmusik. Während es im Sprechgesang völlig normal und akzeptiert ist, den eigenen Fame und Reichtum offensiv zur Schau zu stellen, wird vielen Rock- und Metalbands jegliche Kredibilität abgesprochen, sobald sie in der Lage sind, von den Einnahmen ihrer Musik zu leben. Das Ideal der brotlosen Kunst bleibt tief in der Szene verankert. Aber egal wie alternativ und “true”, am Ende nutzen wir alle, KünstlerInnen wie KonsumentInnen, die gleichen kommerziellen Strukturen: Radio, Fernsehen, Streamingdienste.
Ihren Höhepunkt findet die Liaison von Musik und Kommerz in der Werbung. Aus wirtschaftlicher Sicht eine perfekte Kombination, denn schließlich kann Musik genau das, was Werbung gerne hätte. Recherchiert man zu dem Thema, stößt man auf Artikel, die die Funktionen und Ziele von Werbung grob in sechs Kategorien aufteilen: Entertainment, Struktur, Einprägsamkeit, Sprache, Targeting und Autorität. Ein Musikstück kann all diese Dinge besser erreichen als trockene Erzählung oder Fakten. Ein eingängiger Song, kombiniert mit unterhaltsamen Bildmaterial, gibt einem Werbespot eine hintergründige Struktur und kann – über mehrere Spots gezogen – eine (Achtung, böses Wort) “corporate identity” schaffen. So geschehen zum Beispiel beim Coca Cola Jingle. Manche Werbespots gehen dermaßen leicht ins Ohr, dass man sich schon nach einmaligem Konsum wochenlang dabei erwischt, wie man sie beiläufig vor sich hin murmelt, summt oder pfeift. Findige Marketing-Gurus wissen dieses Phänomen auszunutzen und paaren eingängige Melodien mit Texten über ihre tollen Produkte, sodass man sich bei jedem Ohrwurm-Anfall gleichzeitig an die besungenen Dinkelstangen erinnert.