Kolumne

Clubs als Ketten — Ein Gedankenspiel

Ob Fastfoodrestaurants, Hotels, Supermärkte, Tankstellen oder Fitnessstudios — jede:r kennt sie, die Firmenketten. Doch was wäre, wenn Musik- und Kulturstätten, Partyclubs und Kneipen diesem Kettendenken zum Opfer fallen würden?

Mal mehr mal weniger vorkommend in vielen Städten der Welt vertreten bieten sie immer ein angeglichenes Sortiment an beispielsweise Bekleidung, Lebensmitteln oder Comfort. Doch neben der Arbeit, der Mode und dem Essen verlangt es dem Mensch auch nach Musik und Tanz. Wie würde es dann bei all dem ähnlich angeglichenen Angebot von Gütern aussehen, wenn auch Clubs eine ähnliche Strategie verfolgen würden. Nehmen wir mal an es gäbe sie, eine große und zumindest national bekannte Kette an Clubs, in der Tanz- und Konzveranstaltungen stattfänden — wie würde so etwas aussehen?

Vermutlich würde die Inneneinrichtung ähnlich in jeder Stadt sein, die gleichen Getränke auf den Karten, mit einigen lokalen Ausnahmen, ähnliche Musik klingen und eine ähnliche Atmosphäre herrschen. Gleichgestrichene Wände, gleiche Schriftzüge, gleiche Farbenkombinationen. Wiedererkennungswerte überall. Bliebe bei so viel Ähnlichem denn noch Platz für das Einzigartige? Clubs in großen Musik-Szenestädten wie Köln, Berlin und Hamburg überzeugen durch ihre Architektur, lokale und nationale Bekanntheit und die unzähligen Geschichten und Erlebnisse, die eben nur da passieren konnten und passieren (werden).

Guckt man auf reine Tanzveranstaltungen mit verschiedenen Tanzflächen von Hip-Hop, House, Schlager oder Techno wird schnell klar: die Gäste sind „nur“ zum Tanzen da. Jedoch spielen auch hier das Ambiente, das Licht und die Struktur wie Architektur des Hauses eine wichtige Rolle. Ein Club mit ebenerdiger Tanzfläche und Außenbereich bietet einen ganz anderen Charme als beispielsweise „The Academy“ in Dublin, die nicht nur Tanzfläche, sondern auch 2 weitere Stockwerke an Aufenthaltsmöglichkeiten, Theken und Sitzgelegenheiten bietet. Geht man „für sich“ in privater Runde tanzen, mag es ab einer gewissen Uhrzeit gleichgültig sein wo die Gruppe letztendlich versackt und eventuell würde da der „Vorteil“ des Bekannten funktionieren.

Der Mensch als Gehwohnheitstier könnte durchaus zur Akzeptanz und Unterstützung solch einer Kette gewonnen werden. Starke PR, Gutscheine, Gewinnspiele und Newsletter könnten für den nötigen Startschuss sorgen. Nach erfolgreichem Wachstum dann die Kooperation mit bekannten DJs, Influencer:innen und Bands um noch mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, damit am Ende die violetten Scheine fließen. Übereinstimmende Einrichtung, ähnliches Programm und vielleicht eine Art Clubtour 2.0, allerdings nur durch Clubs, die der Kette angehören. Langweilig oder spannend? Aus Besuchersicht wäre es von Stadt zu Stadt vermutlich irgendwo einerlei, da im Fokus ja die Live-Acts stehen und weniger das Drumherum. Aus Bandsicht vermutlich das genaue Gegenteil. In einer anderen Stadt zu sein und doch „immer das Gleiche zu sehen“ könnte die Lust am Touren mindern. Doch würde es aus Sicht der Veranstalter:innen (oder Untermehmer:innen) die Möglichkeit geben, durch zugeschnittene Bookingangebote Labels und Bands zu überzeugen(?).

„Wenn ihr bei uns spielt und unsere Clubs füllt gibt es Vergütung XY für Euch, diese und jene PR Unterstützung und im nächsten Jahr dürft ihr dann wieder kommen“. Eine App und Eintritt zu allen Clubs in allen Städten gibts noch obendrauf und fertig ist die Kette. Dann noch ein monatlicher Beitrag und die Geldmaschine läuft. Sollte solch ein Unternehmen Erfolg haben, könnte es gut sein, dass in einigen Städten alteingesessene Clubs, Kneipen und Bars aufgekauft würden, oder zumindest der Versuch gestartet würde. Sollte dies zum Erfolg führen, würden sich vermutlich örtliche Kulturszenen verändern. Grundsätzlich sei das dahingestellt, doch Veränderung würde eine Art „Angleichung“ untereinander dennoch mit sich bringen (Hey, endlich ein neues Thema für die Punkmusik; Keine Macht den Clubketten!).

Bleibt die Frage ob und wie lange dies Früchte tragen würde. Der Reiz in einen Club, eine Bar, eine Kneipe oder auf ein Konzert zu gehen besteht doch gerade darin, dem Alltag zu entfliehen, den Schreibtisch und die abzuarbeitenden Aufgaben links liegen zu lassen und eben nicht einen weiteren Abend auf der Couch zu verbringen, sondern um etwas schönes zu erleben. Dem Immergleichen zu entfliehen und was zu erleben.

Natürlich sind immer andere Menschen in verschiedenen Abenden unterwegs, doch genau so wie Kleider Leute machen, würden Clubketten Abende machen. Würde eine Art Kettenmentalität dann nicht genau diese, eine der letzten Garnisonen an Einzigartigkeit zunichte machen? Alteingesessene Kneipen erzählen Geschichten, sobald man sie betritt, sich ein Getränk bestellt und den Blick schweifen lässt. Die Toiletten mit Stickern zugeklebt, das Mobiliar je nach Haus bereits abgenutzt, durchgesessene Ledersofas, Plakate von (verstorbenen) Musikhelden und -heldinnen an der Wand, eine Bühne die vor Abnutzung strotzt und ihren Dienst auch nach wie vor ohne Mängel erfüllt, mal Hard-Rock, mal Ska, mal mit oder ohne Rauchen an der Bar — die Welt würde doch vor die Hunde gehen Mädchen, traurig aber wahr.

Von Stadt zu Stadt wird obendrein unterschiedlich gefeiert. Die Kölner mit ihrem Karneval feiern ganz anders als die Hamburger mit nordischer Mentalität, von Berlin ganz zu schweigen. Der Süden Deutschlands kennt auch ganz andere Traditionsfeste als der Osten und auch international gesehen ist Feiern, Tanzen und Konzerte erleben in Rio anders als in London. Es ist diese Einzigartigkeit, die das Nacht- und Szeneleben so besonders macht. Der Mensch als Gewohnheitstier ist eben gerne in der Stammkneipe auf der Ecke und fühlt sich dort am wohlsten. Das Gegengewicht zum manchmal grau-tristen Alltag bilden die Schankwirtschaften und später Bars und Clubs seit Jahrzehnten wenn nicht Jahrhunderten. Ein Platz zum fünfe gerade sein lassen, zum Kennenlernen, zur einzigartigen Atmosphäre, um dem „Nine-to-Five“ Job zu entkommen und ein paar Stunden wirklich zu leben und nicht zu funktionieren und zu arbeiten.

Eine Kette würde, trotz all der vermeintlichen Vorteile den Reiz des Unbekannten, oder eben den Reiz des Altbekannten kaum bis gar nicht zu brechen vermögen um sich dort breit zu machen. Und selbst wenn, gäbe es mit Sicherheit eine Gegenbewegung die durch Protest und Boykott versuchen würde dem Vormarsch Einhalt zu gebieten. Also, eine Warnung an alle BWLer: versucht es erst gar nicht. Excel-Tabellen sind eher Eure Stärke, nicht aber Kultur.